Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechtigung zur freiwilligen Versicherung in der deutschen Rentenversicherung. Anrechnung von Ersatzzeiten. NS-Verfolgter. britischer Staatsbürger. Rentenanspruch

 

Orientierungssatz

1. Ausschließlich in Großbritannien zurückgelegte Versicherungszeiten führen nicht zur Anrechenbarkeit von deutschen Ersatzzeiten, da dafür nach dem Anh 6 Abschn C Nr 2 Buchst d EWGV 1408/71 ausschließlich die deutschen Rechtsvorschriften gelten (vgl EuGH vom 5.12.1967 - 14/67 = EuGHE 13, 443 = SozR Nr 10 zu Art 28 EWG-VO Nr 3).

2. Auch nach Art 9 Abs 2 EWGV 1408/71 führen in Großbritannien zurückgelegte Versicherungszeiten nicht zum Erwerb der Versicherteneigenschaft nach deutschen Recht (vgl EuGH vom 27.1.1981 - 70/80 = EuGHE 1980, 229 = SozR 6050 Art 4 Nr 12).

3. Britische Staatsbürger mit ausschließlich britischen Versicherungszeiten und gewöhnlichem Aufenthalt oder Wohnsitz in Großbritannien haben kein Recht zur freiwilligen Versicherung in der deutschen Rentenversicherung.

 

Tatbestand

Die Klägerin beansprucht eine Altersrente und zu diesem Zwecke die Zulassung zur Entrichtung freiwilliger Beiträge.

Die Klägerin wandte sich mit Schriftsatz vom 23. Dezember 1991 (Eingang bei der deutschen Botschaft in London am 27. Dezember 1991) an die Beklagte wegen einer Rente und erklärte, zur Erlangung einer Rente zur Entrichtung freiwilliger Beiträge bereit zu sein. Sie sei 1930 in L geboren, habe die Kriegsjahre im Konzentrationslager verbracht und sei 1945 nach England gekommen. Ergänzend reichte sie am 16. März 1992 bei der deutschen Botschaft in London einen entsprechenden formularmäßigen Antrag, wie er von einer Vielzahl von Antragstellern verwandt wurde, ein, in dem sie angab, Deutschland 1941 verlassen zu haben. Weiter gab sie auf Nachfrage der Beklagten an, die britische Staatsangehörigkeit zu besitzen und in den Jahren 1948 bis 1952 Beiträge zur britischen Sozialversicherung gezahlt zu haben.

Mit Bescheid vom 22. Oktober 1992 lehnte die Beklagte die Gewährung eines Altersruhegeldes ab, weil die erforderliche Wartezeit nicht erfüllt sei und auch nicht durch Entrichtung von freiwilligen Beiträgen erfüllt werden könne, weil der Klägerin die entsprechende Berechtigung fehle.

Der Widerspruch, in dem die Klägerin auf Informationen von leitenden Mitarbeitern der Beklagten und eine angekündigte Entscheidung des Arbeitsministers verwies, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 1993). Zur Begründung führte die Beklagte aus, mit dem angefochtenen Bescheid sei zu Recht die Gewährung eines Altersruhegeldes abgelehnt worden, weil keine zu Gunsten der Klägerin zu berücksichtigenden Beitrags-  oder Ersatzzeiten vorhanden seien. In dem Bescheid sei außerdem zutreffend festgestellt worden, daß eine Berechtigung, sich in der deutschen Rentenversicherung freiwillig zu versichern, nicht bestehe. Die Klägerin als britische Staatsangehörige mit gewöhnlichem Aufenthalt in Großbritannien bedürfe eines Vorbeitrages in der deutschen Rentenversicherung, der nicht vorhanden sei. Auch aus der Gleichstellungsklausel des Art. 3 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über soziale Sicherheit (deutsch-britisches Sozialversicherungsabkommen - SVA -) vom 20. April 1960 (Bundesgesetzblatt 1961 Teil II S. 242 ff) folge nicht anderes, weil insofern die Einschränkung in Anhang VI Buchstabe C Nr. 7 Buchstabe b der Verordnung Nr. 1408/71 EWG zu beachten sei. Auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) führe zu keiner anderen Beurteilung, denn eine ungenutzte Berechtigung zur freiwilligen Versicherung stelle keine schutzwürdige Vergünstigung der sozialen Sicherheit im Rentenbereich dar.

Die dagegen am 3. November 1993 erhobene Klage hat das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 30. Oktober 1995 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Altersrente nach § 35 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), da die hierfür erforderliche Wartezeit nicht erfüllt sei und auch nicht durch die Entrichtung freiwilliger Beiträge erfüllt werden könne. Da die Klägerin weder deutsche Staatsangehörige sei noch in der Bundesrepublik Deutschland lebe, beurteile sich für die Klägerin als britische Staatsangehörige das Recht zur freiwilligen Versicherung nach Anhang VI Buchstabe C Ziffer 7 Buchstabe b der EWG-Verordnung Nr. 1408/71, wonach der Antragsteller vorher in der deutschen Rentenversicherung pflicht- oder freiwillig versichert gewesen sein müsse, was auf die Klägerin nicht zutreffe. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht aus dem deutsch-britischen Sozialversicherungsabkommen im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH. Denn in Art. 4 des deutschbritischen SVA sei eine ausdrückliche Regelung hinsichtlich der Entrichtung freiwilliger Beiträge enthalten gewesen, die auch britische Staatsangehörige zur freiwilligen Weiterversicherung zugelassen habe, allerdings nur unter der Voraussetzung, daß sie sich im Hoheitsgebiet der Bu...

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