Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechtigung zur freiwilligen Versicherung in der deutschen Rentenversicherung. NS-Verfolgter. britischer Staatsbürger. Rentenanspruch

 

Orientierungssatz

1. In Großbritannien zurückgelegte Versicherungszeiten führen auch nach Art 9 Abs 2 EWGV 1408/71 nicht zum Erwerb der Versicherteneigenschaft nach deutschem Recht (vgl EuGH vom 27.1.1981 - 70/80 = EuGHE 1980, 229 = SozR 6050 Art 4 Nr 12).

2. Britische Staatsbürger mit ausschließlich britischen Versicherungszeiten und gewöhnlichem Aufenthalt oder Wohnsitz in Großbritannien haben kein Recht zur freiwilligen Versicherung in der deutschen Rentenversicherung.

 

Tatbestand

Streitig ist die Berechtigung zur freiwilligen Versicherung zur Erlangung einer Altersrente.

Der Kläger ist 1928 in B geboren. Er verließ verfolgungsbedingt 1939 mit seinen Eltern Deutschland und lebt seitdem in Großbritannien, dessen Staatsangehörigkeit er im Jahre 1960 erhielt. Er hat Beiträge (nur) zur britischen Sozialversicherung entrichtet, zuletzt bis 5. April 1990 als Selbständiger, und hat mit Wirkung ab 9. Oktober 1993 eine britische Altersrente (Old-Age Pension) beansprucht. Der Kläger erhielt Entschädigung wegen Schadens in der Ausbildung (Bescheid des Entschädigungsamtes Berlin vom 10. Juni 1959).

Am 21. Juni 1990 wandte sich der Kläger an die Beklagte, weil ihm nach seinen Informationen eine deutsche Altersrente zustehe. Am 12. April 1991 beantragte er die Beitragsentrichtung zwecks Erwerbs eines deutschen Rentenanspruchs. Mit Bescheid vom 27. Februar 1992 merkte die Beklagte Ersatzzeiten gemäß § 28 Abs. 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) vom 4. Oktober 1942 bis 31. Dezember 1949 vor und wies zugleich darauf hin, daß eine deutsche Rente nur beansprucht werden könne, wenn Beiträge zur deutschen Rentenversicherung vorhanden seien.

Am 11. März 1992 reichte der Kläger bei der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in London einen Antrag auf Gewährung einer Rente ab 1. Januar 1992 und auf Zulassung zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für 1991 ein. Den Antrag auf Entrichtung freiwilliger Beiträge wies die Beklagte mit Bescheid vom 23. März 1993 zurück, weil der Kläger keinen einzigen Beitrag zur deutschen Rentenversicherung entrichtet habe und deshalb nicht zur freiwilligen Versicherung berechtigt sei.

Der Widerspruch, zu dem der Kläger auf anders lautende Informationen seitens leitender Angestellter der Beklagten verwies, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 1993). Zur Begründung wurde ausgeführt, mit dem angefochtenen Bescheid vom 23. März 1993 sei zu Recht die Gewährung eines Altersruhegeldes abgelehnt worden, weil keine zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigenden Beitrags- oder Ersatzzeiten vorhanden seien. In dem Bescheid sei außerdem zutreffend festgestellt worden, daß eine Berechtigung, sich in der deutschen Rentenversicherung freiwillig zu versichern, nicht bestehe. Der Kläger als britischer Staatsangehöriger mit gewöhnlichem Aufenthalt in Großbritannien bedürfe eines Vorbeitrages in der deutschen Rentenversicherung, der nicht vorhanden sei. Auch aus der Gleichstellungsklausel des Art. 3 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königsreich Großbritannien und Nordirland über soziale Sicherheit (deutschbritisches Sozialversicherungsabkommen -SVA-) vom 20. April 1960 (Bundesgesetzblatt 1961 Teil 2 S. 242 ff.) folge nichts anderes, weil insofern die Einschränkung in Anhang VI Buchstabe C Nr. 7 (jetzt: Nr. 4) Buchstabe b der Verordnung Nr. 1408/71 EWG zu beachten sei. Auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) führe zu keiner anderen Beurteilung, denn eine ungenutzte Berechtigung zur freiwilligen Versicherung stelle keine schutzwürdige Vergünstigung der sozialen Sicherheit im Rentenbereich dar.

Die dagegen gerichtete und am 13. Januar 1994 bei der Beklagten eingegangene Klage hat das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 11. Juli 1995 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung eines Altersruhegeldes, da die hierfür erforderliche Wartezeit nicht erfüllt sei und auch nicht durch die Entrichtung freiwilliger Beiträge erfüllt werden könne. Da der Kläger weder deutscher Staatsangehöriger sei noch in der Bundesrepublik Deutschland lebe, beurteile sich für ihn als britischen Staatsangehörigen das Recht zur freiwilligen Versicherung nach Anhang VI Buchstabe C Ziffer 7 Buchstabe b der EWG-Verordnung Nr. 1408/71, wonach der Antragsteller vorher in der deutschen Rentenversicherung pflicht- oder freiwillig versichert gewesen sein müsse, was auf den Kläger nicht zutreffe. Die allgemeinen Regelungen in Art. 3 und 9 der Verordnung seien nur in Verbindung mit der vorbezeichneten Sonderregelung im Anhang VI zu lesen und begründeten daher die beanspruchte Berechtigung zur freiwilligen Versicherung nicht. Ein Recht zur freiwilligen Versicherung ergebe sich auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 des deutsch-britischen Sozialversicherungsabkommens. Auch wenn diese Vorschrift nach Art...

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