Entscheidungsstichwort (Thema)
Wegeunfall. innerer Zusammenhang. dritter Ort. unmittelbarer Weg. Umweg. entgegengesetzte Richtung. Wegverlängerung um 90 %
Orientierungssatz
Zum Nichtvorliegen eines Wegeunfalles, wenn die Versicherte von einem dritten Ort (hier: Arztpraxis) nicht auf dem unmittelbaren Weg zu ihrer Arbeitsstelle, sondern vielmehr auf einem Straßenbereich in entgegengesetzter Richtung verunglückte.
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin bei einem Auffahrunfall am 28. August 1995 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand und ob sie deshalb Leistungen beanspruchen kann.
Die als Arzthelferin in der Praxis des Hautarztes Dr. S. in Berlin, N. Straße. tätig gewesene Klägerin, seinerzeit wohnhaft gewesen in Berlin, K. straße, hatte am Vormittag des Unfalltages Praxisdienst. Hierbei soll es zu einem Telefonanruf gekommen sein, in dem sie u. a. als "Schlampe" beschimpft worden sein soll und ein Bombenanschlag auf die Praxis angekündigt worden sein soll. Am Nachmittag ließ sie sich von ihrem Ehemann, weil sie aufgrund des Vorfalls einen Weinanfall erlitten hatte, in die Praxis ihrer Hausärztin Dr. S., K. straße, fahren. Diese schrieb sie wegen akuten Erregungszustandes für drei Tage arbeitsunfähig krank. Anschließend wollte die Klägerin sich nach ihren Angaben zur Hautarztpraxis des Dr. S. begeben, um die Praxisschlüssel und den Krankenschein abzugeben.
Der von ihrem Ehemann gefahrene Pkw geriet gegen 17.00 Uhr auf der Bundesstraße in einen Auffahrunfall, bei dem sich die Klägerin u. a. ein Halswirbelsäulen-Beschleunigungstrauma zuzog. In dem Durchgangsarztbericht der Dipl.-Med. St. vom 31. August 1995 heißt es zum Unfallhergang, die Klägerin sei auf dem Weg von der Arbeit nach Hause in einen Arbeitsunfall verwickelt worden. Als Wohnung der Klägerin wird die o. a. Anschrift K. straße angegeben, unter der die Klägerin auch bei ihrer Krankenkasse, der Barmer Ersatzkasse, als wohnhaft bekannt war. Dr. S. gab gegenüber der Beklagten auf deren Anfrage durch ein am 5. Dezember 1995 bei ihr eingegangenes Schreiben an, er sei am Unfalltag gegen 17.00 Uhr vom Ehemann der Klägerin telefonisch darüber unterrichtet worden, dass dessen Ehefrau vor ihrer Haustür in einen Unfall verwickelt worden sei. Ob es sich um einen Wegeunfall gehandelt habe, könne er nicht sagen.
Mit einem Schreiben vom 19. November 1996 teilte die Klägerin der Beklagten mit, der Unfall habe sich in der Nähe ihres Sommerhauses W. weg ereignet. Das sei auch ihre gegenwärtige Wohnanschrift.
In einer Gesprächsnotiz der Beklagten vom 20. Februar 1997 heißt es dann, die Klägerin habe telefonisch den Weg von der K. straße zum Arbeitsort so erläutert: Sie seien über die K. straße, O.-B.-Straße zur in Richtung H. gefahren. Es sei geplant gewesen, von dort aus, um Staustrecken zu vermeiden, über den W. weg, G. A. und den M. weg Richtung Arbeitsort zu fahren.
Durch den Bescheid vom 24. März 1997 lehnte es die Beklagte ab, die Klägerin wegen der Unfallfolgen vom 28. August 1995 zu entschädigen, weil sich der Unfall nicht auf dem direkten Weg zum Ort der Tätigkeit ereignet habe. Sie habe vielmehr einen erheblichen Umweg zurückgelegt. Dieser stehe nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, es sei zwar richtig, dass der Weg über den B. Damm und Alt-B. nicht der direkte Weg gewesen sei. Es sei jedoch der verkehrsgünstige gewesen. Wegen der Geschwindigkeitsbegrenzungen im Wohngebiet von M. und H. habe die Zeitersparnis mindestens zehn Minuten betragen. Außerdem sei schon seinerzeit ihr ständiger Aufenthaltsort das Sommerhaus am W. weg gewesen, in deren Nähe der Unfall beim Abbiegen in die G. A. passiert sei. Sie habe dort die Toilette aufsuchen wollen.
Durch den Widerspruchsbescheid vom 2. September 1997 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch der Klägerin zurück. Sie sei der Auffassung, es habe nicht mit der erforderlichen Gewissheit nachgewiesen werden können, warum ein so erheblicher Umweg der Klägerin erforderlich gewesen sei. Es handele sich hier um eine nicht unwesentliche Verlängerung des direkten Weges. Ihre widersprüchlichen Angaben hätten ebenfalls nicht zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen. Die Folgen des Nichtbeweises seien von der Klägerin zu tragen.
Im anschließenden Klageverfahren hat die Klägerin erneut vorgetragen, sie habe seinerzeit ihren Wohnsitz am W. weg gehabt, wo sie sich vom Herbst bis zum Frühjahr aufhalte. Der Weg von dort zur Praxis der Hausärztin in der K. straße sei ebenso versicherungsrechtlich geschützt wie der anschließend eingeschlagene Weg zu ihrem Arbeitgeber in der N. Straße. Der luftlinienmäßig kürzeste Weg, der direkte Weg durch das Wohngebiet von M. und H., sei aufgrund staubedingter Verkehrsbeeinträchtigung ungünstig gewesen, da sich gerade auf dieser Strecke eine Vielzahl von Baustellen befänden. Ihr Ehemann, der den Pkw gefahren habe, habe sich...