Verfahrensgang
SG Bremen (Urteil vom 27.06.1978; Aktenzeichen SU 128/77) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 27. Juni 1978 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Anordnung der Beklagten, eine Fachkraft für Arbeitssicherheit zu bestellen bzw. zu benennen.
Die Klägerin, eine offene Handelsgesellschaft, betreibt den Großhandel mit Möbeln und anderen Waren und ist Mitglied der beklagten Berufsgenossenschaft. Die Klägerin unterhält im Bundesgebiet 21 räumlich und organisatorisch getrennt voneinander arbeitende Betriebe. Jeder Betrieb ist einer Niederlassung zugeordnet; die Niederlassungen sind als Zweigniederlassungen der in Bremen bestehenden Hauptniederlassung der Klägerin in die Handelsregister der zuständigen Amtsgerichte eingetragen. Die Klägerin beschäftigt ständig 861 Mitarbeiter; in keinem der 21 Betriebe sind mehr als 240 Mitarbeiter beschäftigt. Ein Betriebsrat ist bei der Klägerin nicht errichtet.
Nachdem das Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (vom 12. Dezember 1973, BGBl. I S. 1885) – ASiG – die Berufsgenossenschaften verpflichtet hatte, Vorschriften über die Maßnahmen zu erlassen, die der Unternehmer zur Erfüllung der sich aus dem Arbeitssicherheitsgesetz ergebenden Pflichten zu treffen hat (vgl. § 708 Nr. 4 RVO i.d.F. des § 21 Nr. 1 ASiG), beschloß die Vertreterversammlung der Beklagten am 18. September 1974 die Unfallverhütungsvorschrift „Sicherheitsingenieure und andere Kräfte für Arbeitssicherheit” (nebst Anhang) – UVV 2a; die Unfallverhütungsvorschrift ist vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung am 23. Oktober 1974 genehmigt und im Bundesanzeiger am 16. November 1974 (Ausgabe Nr. 215/1974, Kennziffer 37068) veröffentlicht worden.
Nachdem die Klägerin schon Anfang 1975 unter Einschaltung ihres Prozeßbevollmächtigten die Ansicht vertreten hatte, nach § 2 UVV 2a brauche sie keine Sicherheitsfachkraft zu bestellen, da keiner ihrer 21 Möbelhandelsbetriebe 240 und mehr Arbeitnehmer beschäftige, gab der technische Aufsichtsdienst der Beklagten in einem Besichtigungsbefund vom 20. Dezember 1976 der Klägerin auf, unverzüglich eine Fachkraft für Arbeitssicherheit zu bestellen bzw. zu benennen, die über eine ausreichende Qualifikation verfügen oder diese in einem entsprechenden Lehrgang erwerben müsse (sog. Bescheid vom 4. Januar 1977). Die Klägerin legte am 25. Januar 1977 Widerspruch ein, den die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 1977 zurückgewiesen hat. Zur Begründung hat die Beklagte ausgeführt, entgegen der Ansicht der Klägerin sei sie nach § 712 Abs. 1 Satz 2 RVO neben den staatlichen Behörden zu Anordnungen nach dem Arbeitssicherheitsgesetz befugt. Als Möbelhändlerin sei die Klägerin der Gruppe 4 der Tabelle zu § 2 Abs. 1 UVV 2a zuzuordnen. In dieser Gruppe seien Fachkräfte für Arbeitssicherheit zu bestellen, wenn durchschnittlich 240 oder mehr Arbeitnehmer beschäftigt würden. Nach Abschnitt II des Anhangs zur UVV 2a sei bei der Ermittlung der Einsatzzeit der Fachkraft von der Gesamtzahl der im Unternehmen, also einschließlich aller Niederlassungen, beschäftigten Arbeitnehmer auszugehen. Die Eintragung der Niederlassungen in das örtlich zuständige Handelsregister mache die Niederlassungen nicht zu rechtlich selbständigen Unternehmen. Diese Regelung stehe mit dem Arbeitssicherheitsgesetz im Einklang; nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 ASiG könne die Bestellung von Fachkräften von der Zahl der durchschnittlich beschäftigten Arbeitnehmer abhängig gemacht werden, für die der Arbeitgeber verantwortlich sei. Im übrigen habe der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung die Unfallverhütungsvorschrift genehmigt.
Der Widerspruchsbescheid ist am 22. Juni 1977 zur Post gegeben worden. Die Klägerin hat am 25. Juli 1977 Anfechtungsklage erhoben, die das Sozialgericht Bremen durch Urteil vom 27. Juni 1978 im wesentlichen aus den Gründen des Widerspruchsbescheides abgewiesen hat. Die Klägerin hat gegen der ihren Prozeßbevollmächtigten am 21. Juli 1978 zugestellte Urteil am 21. August 1978 Berufung eingelegt.
Die Klägerin macht geltend, der angefochtene Bescheid sei schon deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte überhaupt nicht zuständig sei, Anordnungen zur Ausführung des Arbeitssicherheitsgesetzes zu erlassen. Nach § 12 ASiG könne lediglich die zuständige staatliche Behörde im Einzelfall anordnen, welche Maßnahmen der Arbeitgeber zur Erfüllung der sich aus dem Arbeitssicherheitsgesetz und den die gesetzlichen Pflichten näher bestimmenden Rechtsverordnungen und Unfallverhütungsvorschriften ergebenden Pflichten zu treffen habe. Diese Zuständigkeitsregel zugunsten der staatlichen Gewerbeaufsicht habe als lex specialis die allgemeine Befugnis der Berufsgenossenschaft, im Einzelfall Anordnungen zur Durchführung von Unfallverhütungsvorschriften zu treffen (§ 712 Abs. ...