Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. häusliche Krankenpflege. Sachleistung. Kostenerstattung. Freistellung von einer Verbindlichkeit. einmalige Geldleistung. Stammrecht. Unaufschiebbarkeit iS von § 13 Abs 3 SGB 5. eigenhändiger Beginn einer Behandlung. fehlender Ursachenzusammenhang zischen Ablehnung und Kostenbelastung. einheitlicher Behandlungsvorgang. vertragliche Vereinbarung. neue Rechtsgrundlage. Vorrang der Eigenhilfe. Ausnahmeregelung. Leistungsausschluss
Orientierungssatz
1. Beim Anspruch auf häusliche Krankenpflege handelt es sich grundsätzlich nicht um eine Geldleistung, denn sie ist abgesehen von dem Fall des § 37 Abs 4 SGB 5 grundsätzlich als Sachleistung zur Verfügung zu stellen. Wird die Sachleistung jedoch nicht gewährt, und beschafft sich der Versicherte die Leistung selbst auf eigene Kosten, so steht dem Versicherten unter den Voraussetzungen des § 13 SGB 5 ein Anspruch auf Kostenerstattung zu, der eine Geldleistung darstellt, denn er ist auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme gerichtet. Nichts anderes gilt, wenn der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 SGB 5 ausnahmsweise auf Freistellung von einer Verbindlichkeit gerichtet ist.
2. Der Anspruch auf Kostenerstattung hat lediglich eine einmalige Geldleistung zum Gegenstand (vgl BSG vom 10.12.2003 - B 9 V 7/03 R = BSGE 12, 42 = SozR 4-3100 § 35 Nr 3), auch wenn er sich aus mehreren einmaligen Geldleistungen wegen mehrmaliger Nichterfüllung des Sachleistungsanspruches zusammensetzt. Im Hinblick darauf kann dahinstehen, ob es überhaupt einen Anspruch auf häusliche Krankenpflege als Stammrecht gibt, aus dem wiederkehrende Einzelansprüche auf bestimmte Maßnahmen resultieren.
3. Ein Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als der entsprechende Sachleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl BSG vom 19.10.2004 - B 1 KR 27/02 R = BSGE 93, 236 = SozR 4-2400 § 15 Nr 2, vom 18.5.2004 - B 1 KR 21/02 R = BSGE 93, 1 = SozR 4-2500 § 31 Nr 1 und vom 24.9.1996 - 1 RK 33/95 = BSGE 79, 125 = SozR 3-2500 § 13 Nr 11).
4. Unaufschiebbarkeit iS des § 13 Abs 3 S 1 SGB 5 ist gegeben, wenn die Leistung ausschließlich aus medizinischen Gründen sofort, ohne die Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubes erbracht werden muss (vgl BSG vom 16.12.1993 - 4 RK 5/92 = BSGE 73, 271 = SozR 3-2500 § 13 Nr 4 und vom 25.9.2000 - B 1 KR 5/99 R = SozR 3-2500 § 13 Nr 22).
5. Ist mit dem eigenhändigen Beginn einer Behandlung das weitere Vorgehen bereits endgültig festgestellt, fehlt der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der Ablehnung der Krankenkasse und der Kostenbelastung des Versicherten auch für den Teil der Behandlung, der zeitlich nach dem ablehnenden Bescheid liegt (vgl BSG vom 19.6.2001 - B 1 KR 23/00 R = SozR 3-2500 § 28 Nr 6). Von einer solchen endgültigen Festlegung ist auch dann auszugehen, wenn die zu erbringenden Leistungen nicht jeweils einzeln in Anspruch genommen werden, sondern Gegenstand einer auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geschlossenen Vereinbarung sind. Stellt sich die Leistung allerdings nicht als einheitlicher Behandlungsvorgang dar, so dass die einzelnen Behandlungsmaßnahmen jeweils unabhängig von den vorangegangenen und nachfolgenden Maßnahmen in Anspruch genommen werden können, sind die Beteiligten einer vertraglichen Vereinbarung nicht gehindert, die Leistung nach einer ablehnenden Entscheidung der Krankenkasse auf eine neue Rechtsgrundlage zu stellen mit der Folge, dass ab diesem Zeitpunkt zwischen der ablehnenden Entscheidung der Krankenkasse und der danach entstehenden Kosten ein ursächlicher Zusammenhang vorliegt.
6. Die Regelung des § 37 Abs 3 SGB 5 ist eine konkrete Ausgestaltung des Vorrangs der Eigenhilfe vor der Inanspruchnahme von Hilfe durch die Solidargemeinschaft der Krankenversicherung. Als Ausnahmeregelung ist § 37 Abs 3 SGB 5 jedoch nicht über seinen Wortlaut hinaus auszulegen. Ein Leistungsausschluss besteht nur, wenn sowohl der Versicherte bereit ist, sich von dem Angehörigen pflegen zu lassen, als auch der pflegende Angehörige mit der Durchführung der Pflege einverstanden ist (vgl BSG vom 30.3.2000 - B 3 KR 33/99 R = BSGE 86, 101 = SozR 3-2500 § 37 Nr 2).
Nachgehend
Tenor
Auf die Anschlussberufung der Kläger werden unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 28. Mai 2003 und der Widerspruchsbescheid vom 30. November 2004 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 446,94 Euro zu zahlen.
Die Beklagte hat den Klägern die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten noch um Kosten für die Verabreichung von Insulin in Höhe von 446,94 Euro in der Zeit vom 23. Februar bis 05. März 2002 und vom 01. April bis 30. Juni 2002 im Rahmen der häuslichen Krankenpflege als Behandlungspflege.
Die ...