Verfahrensgang

SG Potsdam (Urteil vom 23.04.1997; Aktenzeichen S 1 Ka 99/96)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird dasUrteil desSozialgerichts Potsdam vom23. April 1997 abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Anschlußberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist als Gynäkologin zur vertragsärztlichen Versorgung in Brandenburg an der Havel zugelassen. Im I. Quartal des Jahres 1996 führte sie insgesamt 59 sonographische Untersuchungen des Urogenitaltraktes kurativ an Patientinnen durch, die in diesem Quartal schwanger wurden und sich deshalb in diesem in ihre Behandlung begaben oder die nach der Schwangerschaft in dem Quartal, in dem diese endete, einer kurativen Behandlung bedurften. Im Bescheid über die sachlich-rechnerische Richtigstellung der Primärkassen- und Ersatzkassenabrechnung für das I. Quartal 1996 vom 25. Juni 1996 verfügte die Beklagte, daß die GNR 378 31 mal und die GNR 379 28 mal nicht vergütet würden: Diese Tatbestände (sonographische Untersuchungen des Urogenitaltraktes) seien neben der GNR 100 nicht abrechnungsfähig. Den nicht weiter begründeten Widerspruch der Klägerin hiergegen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid 20. August 1996 zurück. Nach den verbindlichen Regelungen des EBM sei eine Leistung dann nicht berechnungsfähig, wenn sie Teil des Leistungsinhaltes einer anderen berechnungsfähigen Leistung sei. Für die Betreuung einer Schwangeren jedoch beinhalte der EBM ab 01. Januar 1996 eine Behandlungsfallpauschale in Höhe von 1.850 Punkten, mit der alle Beratungen und Untersuchungen einschließlich der Ultraschallüberwachung in dem Quartal, in dem die GNR 100 anfalle, abgegolten sei. Dies sei in den allgemeinen Bestimmungen zu GNR 100 nochmals ausdrücklich festgehalten.

Mit ihrer am 18. September 1996 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt: Der Ausschluß der Abrechnungsfähigkeit der GNR 100 neben den GNR 378 und 379 verstoße gegen § 72 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch – (SGB V). Aus dieser Vorschrift ergebe sich, daß jede vertragsärztliche Leistung zu vergüten sei. Die Klägerin werde jedoch verpflichtet, Leistungen, nämlich die Ultraschalluntersuchung einer Schwangeren, unentgeltlich zu erbringen. Dies verstoße auch gegen das Willkürverbot, da eine derartige Bestimmung, Leistungen ohne Vergütung zu erbringen, nur den Gynäkologen, jedoch keiner anderen Ärztegruppe im EBM aufgebürdet werde.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

  1. den Bescheid der Beklagten vom 25.06.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.08.1996 aufzuheben,
  2. die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die Leistungen nach EBM Nr. 378 und 379 nachzuvergüten,

    hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin einen neuen Bescheid, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, zu erteilen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat auf den Wortlaut der Legende zu GNR 100 und eine Stellungnahme der Beigeladenen zu 8. vom 23. April 1996 verwiesen.

Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 23. April 1997 die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid über die Vergütung der Leistungen nach EBM Nr. 378 und 379 im Quartal I/96 zu erteilen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig und die Klägerin daher durch sie in ihren Rechten verletzt. Die Beklagte habe jedoch bei der endgültigen Festsetzung der Vergütung ihr Verteilungsermessen auszuüben. Gemäß § 2 Abs. 1 des HVM sei Grundlage für die Bewertung der vertragsärztlichen Leistungen der einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) gemäß § 87 Abs. 1 SGB V in der jeweils gültigen Fassung. Nach den Allgemeinen Bestimmungen des EBM (Abschnitt A I. 1. Satz 2) sei eine Leistung dann nicht neben oder anstelle einer anderen berechnungsfähig, wenn sie Teil des Leistungsinhalts einer anderen berechnungsfähigen Leistung oder eines Leistungskomplexes sei. Der Leistungskomplex Nr. 100 EBM sei beschrieben als „Betreuung einer Schwangeren gemäß den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft, einschließlich Ultraschallüberwachung mit Bilddokumentation(en), einschließlich Dokumentation, einmal im Behandlungsfall”. Nach der Legende hierzu seien sonographische Untersuchungen des Urogenitaltraktes daneben nicht abrechenbar. Diese Gebührenvorschriften unterlägen einer – eingeschränkten – richterlichen Kontrolle (BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 9). Die kurative Behandlung von Organen des Urogenitaltraktes vor der Schwangerschaft könne sachlich-medizinisch nicht in den Ablauf einer Schwangerschaft gedacht werden, so daß derartige sonographische Untersuchungen keinen sachlichen Zusammenhang mit der Schwangerschaft hätten. Die Beklagte werde dementsprechend die sonographischen Untersuchungen des Uro...

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