Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenhilfe. Bedürftigkeitsprüfung. Vermögensverwertung. verdecktes Treuhandvermögen
Orientierungssatz
1. Selbst wenn es sich bei dem Konto eines Arbeitslosen um ein verdecktes Treuhandkonto gehandelt haben sollte, ist dieses als reines Privatkonto des Arbeitslosen zu behandeln, denn ohne Offenkundigkeit des Treuhandcharakters besteht von vorn herein den Gläubigern des Treuhandkontos gegenüber keine hinreichende Rechtfertigung für die Versagung des Zugriffs. Deshalb lehnt die Rechtsprechung die Gewährung einer Drittwiderspruchsklage mit Recht ab, wenn jemand Gelder, die er für einen Dritten eingezogen hat oder verwahrt, nicht auf einem offenen Treuhandkonto, sondern auf seinem Privatkonto verwahrt (vgl LSG Darmstadt vom 9.5.2001 - L 6 AL 432/00 = E-LSG AL-233 bestätigt durch BSG vom 19.12.2001 - B 11 AL 50/01 R = DBlR 4749, SGG/§ 164 und BGH vom 16.12.1970 - VIII ZR 36/69 = NJW 1971, 559).
2. Diese Rechtssätze gelten nicht nur in Konkurs- bzw Insolvenzverfahren und im Rahmen der Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO, sondern sind entsprechend im Recht der Arbeitslosenversicherung bei der Berücksichtigung des Vermögens des Empfängers von Arbeitslosenhilfe anzuwenden.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Arbeitslosenhilfe vom 30. Juni 1998 bis 16. April 2000, die die Beklagte ihm wegen Anrechnung von Vermögen versagt hat.
Der im Juni 1943 geborene Kläger stand im Leistungsbezug bei der Beklagten (Arbeitslosengeld bis 28. Juni 1997). Die Beklagte bewilligte ihm Arbeitslosenhilfe vom 30. Juni 1997 bis 04. November 1997, 26. November 1997 bis 29. Juni 1998. In den Zwischenzeiten (05. November 1997 bis 25. November 1997) war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Zuletzt (Juni 1998) erhielt der Kläger Alhi nach einem Bemessungsentgelt von 880 DM wöchentlich/Leistungsgruppe A/Kindermerkmal 0 mit einem Leistungssatz von 278,74 DM wöchentlich.
Der Kläger beantragte am 15. Mai 1998 die Fortzahlung von Arbeitslosenhilfe. In dem Zusatzblatt Bedürftigkeitsprüfung zum Antrag auf Arbeitslosenhilfe gab er an, dass er weder über Einkommen noch Vermögen verfüge. Freistellungsanträge seien nicht gestellt worden. Eine Erklärung von Einkommen bzw. Verdienstbescheinigung von Angehörigen wurde vom Kläger - ohne weitere Angaben - unter dem 15. Mai 1998 unterschrieben.
Auf Nachfrage der Beklagten unter Hinweis auf zwei Freistellungsanträge erklärte der Kläger, er habe eine pflegebedürftige Mutter und deshalb auf seinen Namen ein Sparbuch und einen Sparkassenfonds-Depot angelegt. Die beiden Freistellungsaufträge beträfen ein Sparbuch mit einem Vermögen von 50.000 DM zzgl. Zinsen und ein Fonds-Depot, angelegt für 10 Jahre ab 1994 in Höhe von 49.000 DM. Er fügte seiner Erklärung eine Generalvollmacht vom 26. Juni 1998 des Notars H S (UR.-Nr.: 876/1998) bei. Die Mutter des Klägers (geboren April 1921) bevollmächtigte ihn danach in allen persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten, soweit dies rechtlich zulässig ist, sie gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten. Die Vollmacht berechtigte insbesondere zur Verwaltung ihres Vermögens, zur Verfügung über Vermögensgegenstände, zum Vermögenserwerb, zum Abschluss eines Heimvertrages oder einer ähnlichen Vereinbarung. Weiter erklärte die Mutter des Klägers in dieser Urkunde u.a.:
"Im Sommer 1990 bin ich - krankheitsbedingt - zu meinem Sohn nach E gezogen. Meine sämtlichen finanziellen Mittel (Sparguthaben, Barguthaben) - ca. 70.000,00 DM habe ich meinem Sohn, den Vollmachtnehmer, zur treuhänderischen Verwaltung übergeben, da ich aufgrund meiner Krankheit das Haus nicht verlassen und somit kein Konto eröffnen konnte. Mein Sohn hat dieses Guthaben für mich angelegt. Die Konten liefen auf seinen Namen. Ich war jederzeit über den Stand unterrichtet. Ebenso wurde meine Rente auf sein Konto überwiesen."
Am 31. Juli 1998 reichte der Kläger der Beklagten eine Aufstellung seiner Lebenshaltungskosten ein, nach der er 1.629,23 DM durchschnittlich benötigt habe. Die monatlichen Lebenshaltungskosten seiner Mutter betrugen nach deren Angabe vom 26. Juli 1998 1.129,42 DM. Zum Nachweis seiner Angaben reichte der Kläger u.a. zu den Leistungsakten der Beklagten eine sogenannte Finanzamtbestätigung über seine Beitragszahlungen zu Versicherungen bei der A Versicherungs AG (Juli 1998), eine Rechnung des Seniorenheimes des Landkreises O-S gGmbH/B über die Unterbringungskosten seiner Mutter im Juli 1998, den Heimvertrag, seine Mutter betreffend, die Betriebskostenabrechnung 1997 für die Wohnung seiner Mutter, den Pflegegeld-Bescheid (Juni 1997) der AOK - Die Gesundheitskasse für das Land Brandenburg, wonach die Mutter des Klägers ab 01. Juni 1997 Pflegegeld der Pflegestufe II erhielt, sowie einen Nachweis über Arzneikostenselbstbeteiligung der Mutter.
Das Arbeitsamt Frankfurt (Oder) lehnte den Antrag des Klägers auf Arbeitslosenhilfe ab, weil er über ein Vermögen von 99.000 DM, wovon unter Berücksichtigung eines Freibetrages von 8.000 DM insgesamt 91.000 DM berücksichtigungsfähig...