Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren. Spruch der Schlichtungsstelle als Verwaltungsakt
Leitsatz (amtlich)
Vorverfahren im Sinne des § 197 a SGG i.V.m. § 162 Abs 2 S 2 VwGO ist allein das Widerspruchsverfahren. Die Entscheidung der Schiedsstelle gemäß §§ 75 ff. SGB XII ist dagegen ein eigenständiger Verwaltungsakt, gegen den nach § 77 Abs 1 S 4 SGB XII der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben ist, ohne dass es zuvor der Nachprüfung in einem Vorverfahren bedarf (§ 77 Abs 1 S 6 SGB XII).
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers vom 06.08.2008 wird der Beschluss des Sozialgerichts für das Saarland (SG) vom 28.07.2008 aufgehoben und der Antrag der Beklagten, die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten im Vorver- fahren für notwendig zu erklären, abgelehnt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten nach erfolgter Klagerücknahme um die Anordnung der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für ein Vorverfahren.
Die Beklagte betreibt in H.-E. das Seniorenheim St. A., das als Pflegeeinrichtung zugelassen ist.
Nachdem Verhandlungen der Beteiligten über den Abschluss einer Vereinbarung über die Vergütung für die vollstationäre Betreuung/Pflege nicht erfolgreich waren, setzte der Kläger den Investitionsbetrag für das Seniorenheim St. A. auf 9,20 € pro Bett fest. Hiergegen rief die Beklagte, vertreten durch die jetzigen Prozessbevollmächtigten, die Schiedsstelle Saarland (§ 80 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB XII -) an, die am 05.11.2007 in ihrem Schiedsspruch den Investitionsbetrag für das Seniorenheim St. A. ab 30.05.2007 (Antragseingang bei der Schiedsstelle) auf 15,93 € täglich je Pflegeplatz im Zweibettzimmer und auf 19,06 € täglich je Pflegeplatz im Einbettzimmer festsetzte.
Gegen den Schiedsspruch hat der Kläger am 06.12.2007 Klage beim Sozialgericht für das Saarland (SG) erhoben und diese Klage mit Schriftsatz vom 11.01.2008 zurückgenommen.
Die Beklagte hat daraufhin zunächst beantragt, dem Kläger die Kosten aufzuerlegen und den Streitwert festzusetzen. Mit Beschluss vom 14.07.2008 hat das SG dem Kläger gem. § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 155 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) die Kosten auferlegt und entsprechend dem Beklagtenvortrag den Streitwert gem. § 197a SGG iVm § 42 Abs. 3 GKG auf 600.220,60 € festgesetzt.
Gegen die Streitwertfestsetzung hat der Kläger am 25.07.2008 Beschwerde eingelegt, die von dem Landessozialgericht unter dem Az. L 11 B 8/08 SO geführt wird. Während dieses Beschwerdeverfahrens hat das SG auf Antrag der Beklagten vom 23.07.2008 durch weiteren Beschluss vom 28.07.2008 die “Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren gem. §§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG, 162 Abs. 2 S. 2 VwGO für notwendig erklärt„.
In der hiergegen am 12.08.2008 eingelegten Beschwerde hat der Kläger vorgetragen, das Schiedsstellenverfahren sei kein Vorverfahren iSd § 162 VwGO, was sich aus § 77 Abs. 1 S. 6 SGB XII ergebe. Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im Verfahren vor der Ausgangsbehörde seien nicht erstattungsfähig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 172 Abs. 1 SGG statthafte sowie nach § 173 SGG form- und fristgerecht erhobene Beschwerde ist begründet.
Nach § 197a iVm § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO sind, soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt.
Ein solches Vorverfahren hat in Bezug auf das vorliegende Klageverfahren jedoch nicht stattgefunden. Denn Vorverfahren im Sinne des § 197a SGG iVm § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO ist nach Wortlaut und gesetzessystematischem Zusammenhang allein das Widerspruchsverfahren (§§ 78 ff SGG bzw. §§ 68 ff VwGO; vgl. für das Widerspruchsverfahren nach §§ 68 ff VwGO: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 6. September 2001 - 21 E 626/01, vom 16. Mai 2006 - 14 E 478/06, vom 22. November 2006 - 7 E 1206/06 und vom 13.04.2007 - 6 E 292/07). Die Entscheidung der Schiedsstelle gem. §§ 75 ff SGB XII ist dagegen ein eigenständiger Verwaltungsakt (Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 80 Rndnr. 19, mwN), gegen den nach § 77 Abs. 1 S. 4 SGB XII der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben ist, ohne dass es zuvor der Nachprüfung in einem Vorverfahren bedarf (§ 77 Abs. 1 S. 6 SGB XII). Dementsprechend liegen hier die Voraussetzungen für die vom SG erlassene Entscheidung auf Grundlage des § 197a SGG iVm § 162 Abs. 2 S. 2 VwGO nicht vor, so dass zu entscheiden war wie geschehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Fundstellen