Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. funktionale Einarmigkeit. Verweisungstätigkeit. Amtsermittlungsgrundsatz. Zurückweisung eines Antrags auf Einholung mehrerer Gutachten nach § 109 SGG
Leitsatz (amtlich)
1. Kann trotz funktionaler Einarmigkeit noch eine leichte Tätigkeit als Pförtner an der Nebenpforte verrichtet werden, kann hierauf sozial und gesundheitlich zumutbar verwiesen werden, auch wenn der aus Italien stammende Kläger der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig ist. Eine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes liegt nicht vor.
2. Der Amtsermittlungsgrundsatz erfordert nicht, dass bei im Grunde "ins Blaue hinein" aufgestellten Tatsachenbehauptungen zu einer Verschlimmerung im Gesundheitszustand des Klägers weitere Ermittlungen durchgeführt oder weiteren Beweisanträgen nachgegangen werden muss.
3. Das Recht des Versicherten auf Anhörung eines Arztes oder mehrerer Ärzte hat nur dann zu erfolgen, wenn besondere Umstände eine solche Anhörung rechtfertigen.
Orientierungssatz
1. Zur Berücksichtigung unzureichender Sprachkenntnisse ausländischer Versicherter bei der Prüfung der Erfüllung der persönlichen Voraussetzung für die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (vgl BSG vom 10.12.2003 - B 5 RJ 64/02 R = SozR 4-2600 § 44 Nr 1).
2. Zum Leitsatz 2 vgl BSG vom 27.11.2014 - B 3 KR 22/14 B, vom 19.11.2009 - B 13 R 303/09 B sowie vom 19.10.2011 - B 13 R 33/11 R.
3. Zum Leitsatz 3 vgl BSG vom 29.11.1957 - 2 RU 241/56 = SozR Nr 14 zu § 109 SGG und vom 22.6.1977 - 10 RV 67/76 = SozR 1500 § 109 Nr 1.
Normenkette
SGG § 109 Abs. 1; SGB VI §§ 43, 240
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 29.04.2014 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung bzw. wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach den Vorschriften des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) hat.
Der 1956 in Italien geborene Kläger hat keinen Beruf erlernt. Nach seiner Schulausbildung in Italien verrichtete er dort Schweißarbeiten und Arbeiten eines Mechanikers. Nach seiner Einreise nach Deutschland im Jahre 1995 arbeitete er hier 57 Monate als angelernter Eisenflechter, danach bis zum Eintritt eines Arbeitsunfalls am 30.03.2010 überwiegend in Luxemburg. Der Kläger erhält aufgrund des Arbeitsunfalls von der zuständigen deutschen Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft (BG) eine monatliche Rente iHv rund 300,-- Euro sowie aus Luxemburg, wo er derzeit arbeitslos gemeldet ist, ein “Wartegeld„ iHv rund 740,-- Euro/Monat.
Am 16.03.2011 beantragte er die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Nach Beiziehung ärztlicher Unterlagen ließ die Beklagte den Kläger von dem Nervenarzt Dr. St. untersuchen, der in seinem am 29.11.2011 erstellten Gutachten annahm, dass der Kläger seine letzte Tätigkeit als Eisenflechter nicht mehr, sonst allerdings 6 Stunden täglich Arbeiten verrichten könne. Nachdem auch der Sachverständige Dr. H. (Sozialmedizinischer Dienst - SMD), in seinem ärztlichen Bericht vom 08.12.2011 zum gleichen Ergebnis kam, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27.02.2012 den Rentenantrag ab.
Hiergegen erhob der Kläger am 04.04.2012 Widerspruch. Nach Vorlage weiterer ärztlicher Unterlagen, der Einholung einer Arbeitgeberauskunft vom 27.04.2012 und einer Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes der Beklagten vom 24.05.2012 wies die Beklage mit Widerspruchsbescheid vom 24.10.2012 den Widerspruch zurück, da der Kläger noch mindestens 6 Stunden täglich arbeiten könne. Zudem sei er auch nicht berufsunfähig. Zwar könne er seine letzte Tätigkeit als Eisenflechter, die als eine angelernte Tätigkeit anzusehen sei, nicht mehr verrichten. Er müsse sich jedoch auf alle ungelernten Tätigkeiten, mit Ausnahme solcher einfachster Art, verweisen lassen. Insoweit könne er noch Tätigkeiten als Mitarbeiter bei einer Poststelle eines größeren Unternehmens bzw. einer Behörde (Posteingang, Postsortier- und Postverteildienst), Pförtner oder Bürohilfskraft in Registratur, Ablage oder Archiv verrichten.
In dem am 26.11.2012 eingeleiteten Klageverfahren vor dem Sozialgericht für das Saarland (SG) hat der Kläger im Wesentlichen geltend gemacht, aufgrund der seit seinem Arbeitsunfall im Jahre 2010 bestehenden Gesundheitsstörungen auf orthopädischem und nervenärztlichem Gebiet, insbesondere der ständigen Schmerzen, könne er nicht mehr arbeiten.
Das SG hat Befundberichte der behandelnden Ärzte beigezogen sowie ein orthopädisches Gutachten, erstattet von Dr. L. am 18.12.2013, sowie ein nervenärztliches Gutachten, erstattet von Dr. A. am 08.11.2013, eingeholt.
Der Orthopäde Dr. L. hat in seinem Gutachten folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:
1. Operativ behandelte Humerusschaftfraktur links mit posttraumatischer Teilparese des Nervus radialis links.
- Posttraumatische Schulter...