Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsunfall. unfallbedingte Einnahme eines Medikamentes mit Nebenwirkungen. Verschlimmerung einer Vorerkrankung des Versicherten. Herztod als Unfallfolge

 

Orientierungssatz

Zur Nichtanerkennung eines Herztodes als Folge eines Arbeitsunfalles, wenn der herzkranke Versicherte wegen unfallbedingter Gesundheitsstörungen ein Medikament (hier: Tegretal bzw Carbamazepin) einnehmen musste, auf dessen Beipackzettel darauf hingewiesen wird, dass Nebenwirkungen im Sinn einer Verschlechterung einer vorbestehenden coronaren Herzkrankheit und Herzinsuffizienz eintreten könnten.

 

Normenkette

SGB VII § 8 Abs. 1

 

Verfahrensgang

SG für das Saarland (Urteil vom 20.08.2001; Aktenzeichen S 4 U 18/00)

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung von Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, die die Klägerin mit der Begründung begehrt, der Tod ihres Ehemannes sei Folge eines Arbeitsunfalles.

Die Klägerin war mit dem 1948 geborenen Heinz Sch, nachfolgend Versicherter genannt, verheiratet. Der Versicherte arbeitete als Verlader bei der Baustahlgewebe GmbH in St. I. Am Abend des 22.02.1994 stürzte er im Mattenlager von einem Lastkraftwagen aus ca. 3 m Höhe auf am Boden liegende Baustahlmatten. Der Versicherte erlitt ein schweres Schädel-Hirn-Trauma mit Kalottenfraktur und multiplen cerebralen Kontusionen, ferner Frakturen des Schlüsselbeines, der Rippen und des rechten Oberschenkels sowie eine Lungenkontusion. Weitere Unfallfolge war eine Schockgallenblase, die operativ entfernt wurde. In der Folgezeit entwickelte sich unfallbedingt ein hirnorganisches Psychosyndrom mit depressiver Färbung sowie ein Anfallsleiden; der Versicherte wurde deshalb ärztlicherseits mit dem Medikament Tegretal eingestellt.

Nach Einholung des ersten Rentengutachtens von Prof. Dr. M, H (vom 23.02.1996) sowie eines neurochirurgischen Fachgutachtens von Prof. Dr. St, ebenfalls H (vom 16.07.1996), bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 09.10.1996 wegen der Unfallfolgen eine Verletztenrente auf Dauer nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v.H.. Wegen des Kaufs einer Eigentumswohnung wurde die Dauerrente auf Antrag des Versicherten mit Bescheid vom 18.12.1996 abgefunden.

Am 30.09.1998 brach der Versicherte in seiner Wohnung zusammen. Wiederholtes Herzkammerflimmern erforderte 45 minütige Wiederbelebungsmaßnahmen durch den alarmierten Notarzt, eher der Versicherte auf die Intensivstation des Kreiskrankenhauses St. I verbracht werden konnte. Dort wurden in den nächsten Tagen unter hoch dosierter Medikation zunächst stabile Herz-Kreislauf-Verhältnisse erreicht. Am 05.10.1998 verstarb der Versicherte auf der Inneren Abteilung des Kreiskrankenhauses. Als Todesursache wurde ärztlicherseits ein progredientes Polyorganversagen bescheinigt. Die Klägerin ging davon aus, der Tod sei Folge des früheren Arbeitsunfalles, und beantragte Hinterbliebenenleistungen bei der Beklagten. Sie erklärte sich mit einer Obduktion einverstanden, die im pathologischen Institut der S Winterbergkliniken durchgeführt wurde.

Nach Gutachtenerstellung durch Prof. Dr. M, den ärztlichen Leiter des pathologischen Instituts der S Winterbergkliniken (vom 25.01.1999), bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 23.02.1999 der Klägerin zwar eine einmalige Hinterbliebenenbeihilfe, lehnte jedoch die Gewährung von Hinterbliebenenrente ab. Als Folgen des Versicherungsfalles seien ein Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma, eine Lungenquetschung, ein Schlüsselbeinbruch, Rippenbrüche, ein Oberschenkelbruch rechts und Entfernung der Gallenblase anerkannt gewesen. Das pathologische Gutachten weise als Todesursache ein Herz-Kreislauf-Versagen bei stenosierender Coronarsklerose und rezidiviertem Myocardinfarkt aus. Der Tod sei mithin nicht Folge des Arbeitsunfalles gewesen.

Auf den Widerspruch der Klägerin holte die Beklagte eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. M (vom 06.10.1999) ein. Mit Bescheid vom 12.01.2000 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Prof. Dr. M habe in seiner ergänzenden Stellungnahme bestätigt, daß eine ursächliche Beziehung zwischen den Unfallfolgen und der Entwicklung der schweren Coronararteriensklerose und dem daraus resultierenden Myokardinfarkt nicht bestehen würde. Auch sei die Lebenserwartung des Versicherten durch die Unfallfolgen nicht um mindestens 1 Jahr verkürzt worden.

Das Sozialgericht für das Saarland (SG) hat auf Kosten der Klägerin ein am 14.06.2001 gefertigtes Gutachten von Prof. Dr. D, dem Direktor des Instituts für Pathologie des Charité-Universitätsklinikums in B, eingeholt. Es hat die Klage mit Urteil vom 20.08.2001 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente bestehe nur, wenn der Tod des Versicherten Folge des Versicherungsfalles sei, § 63 Abs. 1 S. 2 7. Sozialgesetzbuch -- gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII). Der Versicherte sei aber nicht an den Folgen des Arbeitsunfalles vom 22.02.1994 verstorben. Prof. Dr. M habe bereits im Verwaltungsverfahren dargelegt, daß der ...

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