Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Leistungsausschluss nach § 34 Abs 1 S 7 bis 9 SGB 5 ist verfassungsgemäß

 

Orientierungssatz

1. Der Leistungsausschluss nach § 34 Abs 1 S 7 bis 9 SGB 5 verstößt nicht gegen Art 2 Abs 1 und 2 GG (vgl ua BSG vom 10.5.2005 - B 1 KR 25/03 R = BSGE 94, 302 = SozR 4-2500 § 34 Nr 2). An dieser Rechtslage hat sich auch durch den Beschluss des BVerfG vom 6.12.2005 - 1 BvR 347/98 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 nicht Grundsätzliches geändert.

2. Eine Ungleichbehandlung iS von Art 3 Abs 1 GG liegt im Hinblick darauf nicht vor, dass eine Krankenkasse Behandlungen bei psychischen Störungen und Inkontinenz gewährt, die Behandlung der erektilen Dysfunktion mit Arzneimitteln jedoch nicht übernimmt.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 20.07.2010; Aktenzeichen B 1 KR 10/10 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 21.01.2009 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung des Arzneimittels Viagra zur Behandlung der erektilen Dysfunktion des Klägers.

Der ... 1941 geborene Kläger litt an einem Blasentumor, welcher im Januar 1996 nebst Prostata operativ entfernt wurde. Am 28.8.2006 beantragte er bei der ..., bei der er gesetzlich krankenversichert ist (der Rechtsvorgängerin der Beklagten), die Übernahme von Kosten des Medikaments Viagra. Hierin führte er aus, ohne eine entsprechende Medikation bekomme er keine Erektion mehr. Nach der Operation sei ihm ein anderes Medikament injiziert worden, was aber nicht mehr erstattet werde. Nunmehr begehre er das zugelassene Medikament Viagra, welches er als Tablette einnehmen könne.

Dem Antrag fügte er eine Bescheinigung der Universitätsklinik des S vom 23.1.2003 bei, in der die bisherige Medikation dargestellt wurde. Eine Implantation einer Prothese werde wegen des erheblichen operativen Risikos vom Kläger abgelehnt und daher sei die Gabe von Sildenafil, dem Wirkstoff von Viagra, geboten. Es stehe keine akzeptable Alternative zur Verfügung.

Der medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) informierte die ... am 8.9.2006 darüber, dass Mittel zur Behandlung der erektilen Dysfunktion laut Arzneimittel-Richtlinien von der Verordnung ausgeschlossen seien. Daraufhin teilte die ... dem Kläger mit Schreiben vom 14.9.2006 mit, man beabsichtige nach der Stellungnahme des MDK den Antrag des Klägers abzulehnen. Bevor man abschließend entscheide, gebe man Gelegenheit, sich zum Sachverhalt zu äußern.

Mit Telefax vom 19.9.2006 teilte der Kläger mit, er teile die Auffassung des Gutachters nicht. Durch die Operation sei ein unvermeidbarer Schaden entstanden, was dazu geführt habe, dass keine Erektion möglich sei. Er lege gegen das Schreiben vom 14.9.2006 Widerspruch ein. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers bezog sich in einem Schreiben vom 28.9.2006 auf die Stellungnahme des Klägers, er wäre dankbar, wenn die ... ihr Schreiben und den Widerspruch des Klägers der Widerspruchsstelle vorlegen würde und diese baldmöglichst einen entsprechenden Widerspruchsbescheid erlassen könnte. Er wolle die Angelegenheit gerichtlich klären lassen.

Nach einer Notiz vom 11.10.2006 lehnte die ... telefonisch die Kostenübernahme für Viagra ab; auf die Alternative einer Vakuumpumpe sei hingewiesen worden. Der Kläger wolle den Widerspruch aufrechterhalten. Mit Schreiben vom selben Tag bezog sich die ... dem Kläger gegenüber auf das Schreiben vom 14.9.2006 und leitete den Widerspruch an den Widerspruchsausschuss weiter, da der Bevollmächtigte mitgeteilt habe, er werde diese Entscheidung nicht akzeptieren. Daraufhin erhob der Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 25.10.2006 vorsorglich erneut Widerspruch.

Mit Widerspruchsbescheid vom 7.3.2007, dem Kläger zugegangen am 20.3.2007, wies die ... den Widerspruch zurück. Die ... sah das Telefonat mit dem Kläger vom 11.10.2006 als Ablehnungsentscheidung und Widerspruch an. Die Entscheidung stehe aber im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung der Sozialgerichte. Als Rechtsmittelbelehrung war die Klage an das Sozialgericht Speyer aufgeführt.

Am 20.4.2007 hat der Kläger, der in einem Klageverfahren vor dem Sozialgericht für das Saarland gegen seine vorherige Krankenkasse mit gleichem Streitgegenstand dahingehend Erfolg hatte, dass die entsprechende Medikation bis zum 31.12.2003 bewilligt wurde (Urteil vom 13.7.2007, S 1 KR 421/06), beim Sozialgericht Speyer Klage erhoben, die das Sozialgericht Speyer durch Beschluss vom 15.5.2007 an das Sozialgericht für das Saarland (SG) verwiesen hat.

Im Wesentlichen hat der Kläger unter Zitierung von Rechtsprechung geltend gemacht, die erektile Dysfunktion sei keine Alterserscheinung, sondern eine Folgewirkung der Operation und damit eine Krankheit. Die begehrte Medikation diene damit der Linderung von Beschwerden (Impotenz) und nicht der Steigerung der Potenz. Damit stehe nicht die Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund. Auß...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge