Entscheidungsstichwort (Thema)
gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit. haftungsbegründende Kausalität. berufliche Schwingungsbelastung unter 16,2 Kr. bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule. Lkw-Fahrer
Orientierungssatz
1. Zur Nichtanerkennung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule eines ab dem Jahre 1972 tätigen Lkw-Fahrers, der zwischenzeitlich von 1973 - April 1977 als Baustoffanfahrer tätig war, als Berufskrankheit gem BKV Anl Nr 2110 mangels Vorliegens der arbeitstechnischen Voraussetzungen (hier: maximale durchschnittliche berufliche Schwingungsbelastung von 13, 3 Kr) in der Zeit ab 1977.
2. Voraussetzung für die Annahme eines beruflichen Kausalzusammenhanges einer Berufskrankheit gem BKV Anl Nr 2110 ist eine langjährige, in der Regel mindestens 10jährige wiederholte Einwirkung von vorwiegend vertikalen Ganzkörperschwingungen in Sitzhaltung. Dabei muss nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand davon ausgegangen werden, dass die gesundheitliche Gefährdung von der gesamten beruflichen Schwingungsbelastung abhängt. Diese setzt sich aus der Gesamtzahl der Expositionstage mit Beurteilungsschwingstärken Kr ≫ 16,2 nach VDI 2057 (Tagesdosis) zusammen. Sofern Belastungen durch stoßhaltige Schwingungen oder solche mit ungünstiger Körperhaltung vorliegen, die zu erhöhter Gefährdung führen, sind Expositionstage bereits mit einer Beurteilungsschwingstärke Kr ≫ 12,5 zu berücksichtigen.
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob bei dem Kläger eine Berufskrankheit gemäß Nr. 2110 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) vorliegt und ob dem Kläger aufgrund dessen gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rente nach den Vorschriften des 7. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) zusteht.
Der ... 1948 geborene Kläger war seit 1972 als LKW- Fahrer beschäftigt. Von 1972 - 1977 war er bei der Firma E S im Baustellenverkehr tätig, davon von Mai 1973 - April 1977 als Baustoffanfahrer. Seit dem 05.04.1977 ist der Kläger bei der Firma S M, S I, als LKW-Fahrer im Fernverkehr eingesetzt.
Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 31.03.1999 bat der Kläger im Rahmen eines gegen die Beklagte geführten Widerspruchsverfahrens wegen eines Arbeitsunfalles vom 11.01.1995 zugleich um Überprüfung, ob bei ihm eine Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV anerkannt werden könne. Aufgrund seiner langjährigen beruflichen Tätigkeit bestünden Beschwerden im Lendenwirbelsäulenbereich, die auf vertikale Ganzkörperschwingungen zurückgeführt werden könnten. Die Beklagte leitete hierauf entsprechende Ermittlungen ein. In medizinischer Hinsicht holte sie Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte ein, u. a. von
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Dr. B, St. I, der den Kläger wegen Wirbelsäulenbeschwerden seit 04.11.1974 behandelte (Bericht vom 30.07.1999). |
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Dr. W, Chefarzt der Chirurgischen Klinik des Knappschaftskrankenhauses S, wo der Kläger vom 05.06. - 13.06.1986 wegen Wirbelsäulenbeschwerden stationär in Behandlung war (Bericht vom 17.06.1999) und |
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bei Prof. Dr. S, dem Direktor der Neurochirurgischen Klinik der Universitätsklinik des Saarlandes in H, wo der Kläger in der Zeit vom 06.02.1995 - 09.11.1995 teils ambulant, teils stationär wegen Wirbelsäulenbeschwerden behandelt wurde, und wo bei einem stationären Aufenthalt vom 06.02. - 17.02.1995 eine Nukleotomie im Segment L5/S1 bei großem perforiertem Bandscheibenvorfall durchgeführt wurde (Bericht vom 21.07.1999). |
Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten nahm unter dem 01.12.1999 zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheiten Nr. 2108 - 2110 der Anlage zur BKV Stellung und verneinte sie in allen drei Fällen. Bezüglich der Voraussetzungen der streitgegenständlichen Berufskrankheit Nr. 2110 der Anlage zur BKV ist ausgeführt, der Versicherte sei als Kraftfahrer im Güterfernverkehr beschäftigt gewesen. Die LKW, welche er ausweislich der bei der Arbeitgeberin geführten Ermittlungen geführt habe, seien innerhalb der Lenkzeit nicht geeignet, Werte der Beurteilungsschwingstärke Kr ≫= 16,2 zu ergeben. Die Belastungsanalyse der Lendenwirbelsäule habe Beurteilungsschwingstärken von zwischen 8,1 und 11,3 Kr ergeben.
Der Gewerbearzt führte hierzu unter dem 17.12.1999 aus, die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK nach Nrn. 2108 - 2110 der Anlage zur BKV seien nicht gegeben, damit fehle es bereits an der haftungsbegründenden Kausalität.
Durch Bescheid vom 18.01.2000 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit und die Gewährung einer Entschädigungsleistung ab. Erkrankungen der Wirbelsäule, u. a. die Berufskrankheit Nr. 2110 der Anlage zur BKV, seien mit Wirkung vom 01.01.1993 erstmals in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen worden. Das Vorliegen einer solchen Berufskrankheit sei anzuerkennen, wenn der Versicherte am 01.01.1993 an einer Krankheit leide, die nach Nr. 2110 der Anlage zur BKV als Berufskrankheit anerkannt werden könne, und der Versicherungsfal...