Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeld. Anspruchsberechtigung. kein Anspruch für die Zeit eines Beschäftigungsverbots mit Entgeltfortzahlung. Nichterbringung der tatsächlichen Arbeitsleistung nicht entscheidend. Verfassungsrecht. Gleichheitssatz. Vermeidung von ungerechtfertigten Doppelleistungen
Orientierungssatz
1. Während der Zeit eines Beschäftigungsverbots mit Entgeltfortzahlung nach der Geburt eines Kindes besteht kein Anspruch auf Elterngeld (Abgrenzung zu BSG vom 29.8.2012 - B 10 EG 7/11 R = SozR 4-7837 § 1 Nr 3).
2. Ziel des BEEG ist es nicht, neben den Leistungen nach § 11 MuSchG eine Doppelsicherung herbeizuführen, zumal es dafür auch unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten keine sachliche Rechtfertigung gäbe.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 22.5.2017 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit steht ein Anspruch auf Elterngeld während der Zeit eines Beschäftigungsverbots mit Entgeltfortzahlung nach der Geburt eines Kindes.
Die 1978 geborene Klägerin ist verheiratet. In den zwölf Monaten vor der Geburt ihres Sohnes (10.3.2016) bzw. vor Beginn der Mutterschutzfrist arbeitete sie im Rahmen einer Vollzeitbeschäftigung als „Bereichsleiterin Hartware “ (Lampen, Heimwerkerartikel, Haushaltsartikel und Lebensmittel) bei der Te. KG, Bo. (seit dem 8.2.2010). Für den Zeitraum vom 28.1.2016 bis zum 5.5.2016 leistete die T. Krankenkasse Mutterschaftsgeld in Höhe von 13,- € pro Tag; zusätzlich bezog die Klägerin einen Arbeitgeberzuschuss.
Am 13.4.2016 beantragte die Klägerin beim Ministerium für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familien des Saarlandes (nachfolgend: das Ministerium) Elterngeld für die Zeit vom 1. bis zum 12. Lebensmonat des Sohnes in Höhe des Mindestbetrags von 300,- € pro Monat; sie gab an, während des Elterngeld-Bezugszeitraums keine Erwerbstätigkeit auszuüben. Die Arbeitgeberin dehnte das bis zum Ablauf von 8 Wochen nach der Entbindung bestehende Beschäftigungsverbot des § 6 Abs. 1 Satz 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG) wegen der Arbeitsbedingungen für die Tätigkeiten der Klägerin im Lager und im Verkauf auf die Stillzeit, längstens jedoch auf maximal 12 Monate ab dem Geburtstermin aus und leistete Arbeitsentgelt an die Klägerin für eine Vollzeittätigkeit nach den Vorgaben der §§ 7, 11 MuSchG. Das Beschäftigungsverbot bestand bis zum 9.3.2017; für diese Zeit legte die Klägerin bei der Arbeitgeberin Stillzeitnachweise vor. Aufgrund der Anrechnung von noch bestehenden Urlaubsansprüchen verschob sich der tatsächliche Arbeitsbeginn auf den 5.5.2017.
Das Ministerium lehnte mit Bescheid vom 29.4.2016 den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Elterngeld für die Zeit vom 1. bis zum 12. Lebensmonat des Sohnes ab. Die Klägerin müsse für den beantragten Elterngeld-Bezugszeitraum als voll erwerbstätig angesehen werden, da sie von ihrer Arbeitgeberin nach § 11 MuSchG Arbeitsentgelt für eine Vollzeittätigkeit bis maximal 12 Monate ab dem Geburtstermin des Sohnes erhalte, das der Lohnsteuerpflicht unterliege.
Dagegen hat die Klägerin am 25.5.2016 Klage erhoben.
Sie hat die Auffassung vertreten, es komme nicht darauf an, dass ihr für den beantragten Elterngeld-Bezugszeitraum (10.3.2016 bis 9.3.2017) Arbeitsentgelt für eine Vollzeittätigkeit gezahlt werde. Denn tatsächlich gehe sie vom 10.3.2016 bis zum 9.3.2017 keiner Erwerbstätigkeit nach. Die Negativvoraussetzung des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BEEG liege nicht vor. Folglich müsse ihr das Ministerium Elterngeld nach dem Mindestbetrag (300,- €) zusprechen.
Das Sozialgericht für das Saarland (SG) hat die Klage mit Urteil vom 22.5.2017 abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Anspruch auf Elterngeld nach dem BEEG für die Zeit vom 1. bis zum 12. Lebensmonat des Sohnes für die Dauer der Stillzeit bzw. des arbeitgeberseits ausgesprochenen Beschäftigungsverbots (10.3.2016 bis 9.3.2016) komme nach Maßgabe des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BEEG nicht in Betracht.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BEEG habe Anspruch auf Elterngeld, wer 1. einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland habe, 2. mit seinem Kind in einem Haushalt lebe, 3. dieses Kind selbst betreue und erziehe, 4. keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübe. Nach § 1 Abs. 6 BEEG sei eine Person nicht voll erwerbstätig, wenn ihre Arbeitszeit 30 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats nicht übersteige. Danach sei die Klägerin trotz der faktischen Nichtausübung ihrer Tätigkeit als „Bereichsleiterin Hartware “ während der Stillzeit bzw. in der Zeit vom 1. bis zum 12. Lebensmonat ihres Sohnes (10.3.2016 bis 9.3.2017) nicht wie eine durch Elternzeit von einer Vollzeit-Erwerbstätigkeit freigestellte Elterngeld-Antragstellerin anzusehen.
Die Klägerin müsse sich insoweit ein widersprüchliches Verhalten vorwerfen lassen, als sie einerseits ihrer Arbeitgeberin ausweislich des vorgelegten Schreibens ...