Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Vermögenseinsatz. Sterbegeldversicherung. sonstiger Geldwert iS des § 90 Abs 2 Nr 9 SGB 12. Härte iS des § 90 Abs 3 S 1 SGB 12. angemessene Höhe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine nicht gekündigte und nicht verwertete Sterbegeldversicherung begründet keinen sich aus § 90 Abs 2 SGB XII ergebenden Schonbetrag bei der Verpflichtung zum Vermögenseinsatz iS des § 90 Abs 1 SGB XII.

2. Der Zwang zur Verwertung einer (reinen) Sterbegeldversicherung kann allerdings eine Härte iS des § 90 Abs 3 SGB XII bedeuten, da grundsätzlich dem Wunsch des Menschen, für die Zeit nach seinem Tod durch eine angemessene Bestattung und Grabpflege vorzusorgen, Rechnung zu tragen ist (vgl hierzu BSG vom 18.3.2008 - B 8/9b SO 9/06 R = BSGE 100, 131 = SozR 4-3500 § 90 Nr 3, RdNr 17). Die Möglichkeit einer Kündigung der Sterbegeldversicherung zu Lebzeiten schließt die Zweckbestimmung zur Bestattungsvorsorge dabei - wie bei einem Bestattungsvorsorgevertrag - nicht aus (vgl hierzu BSG vom 18.3.2008 - B 8/9b SO 9/06 R aaO, RdNr 17). Die "Angemessenheit" der Berücksichtigung einer Sterbegeldversicherung hat sich - wie bei Vorliegen eines Bestattungsvorsorgevertrages - nach den Grundsätzen einer Sozialbestattung iS des § 74 SGB XII zu orientieren, so dass Maßstab für die Beurteilung des Umfangs des geschonten Vermögens, und damit für eine "Härte" iS des § 90 Abs 3 S 1 SGB XII, der Aufwand für eine den örtlichen Gepflogenheiten entsprechende einfache Bestattung ist.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 14.08.2017 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt als Rechtsnachfolgerin ihrer am 06.05.1928 geborenen und 2018 verstorbenen Mutter, Frau (Verstorbene), ergänzende Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach §§ 41 ff Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) für den Zeitraum vom 01.01.2016 bis 31.03.2017.

Die Verstorbene bezog eine Betriebs- und Hinterbliebenenrente, ab 01.08.2015 i.H.v. insgesamt 686,74 Euro und erhielt zudem von 2011 bis 31.12.2015 laufende Leistungen der Grundsicherung nach §§ 41 ff SGB XII, i.H.v. zuletzt 175,73 Euro, sowie ab dem 01.01.2016 Wohngeld i.H.v. 129,-- Euro/Monat. Seit Februar 1989 bestand eine Kapitallebensversicherung auf den Todesfall ohne Erlebensfall-Absicherung (Sterbegeldversicherung) bei der DEVK mit einer abgeschlossenen Versicherungssumme von 10.000,- DM, für die sie bis zur beantragten Beitragsfreistellung zum 01.12.2015 monatlich gleichbleibende Beiträge, zuletzt i.H.v. 21,63 Euro, zahlte.

Noch vor Ablauf des vom 01.09.2014 bis 31.08.2015 laufenden Bewilligungszeitraums (vgl. Bescheide vom 11.08.2014 und 05.01.2015), wurden mit Bescheid vom 24.07.2015 aufgrund einer Änderung in den Einkommens- und Vermögensverhältnissen nach einer Rentenerhöhung für August 2015 Leistungen i.H.v. monatlich 175,73 Euro gewährt. Mit weiterem Bescheid vom 28.08.2015 bewilligte der Beklagte lediglich für den Zeitraum vom 01.09.2015 bis 31.10.2015 eine entsprechende monatliche Leistung weiter, da noch Unklarheiten bezüglich eines Sparguthabens vorliegen würden. Nach Ablauf des 31.10.2015 zahlte der Beklagte die zuvor geleistete Grundsicherungsleistung ohne Erlass eines weiteren Bescheides auch für die Monate November und Dezember 2015.

Mit Bescheid vom 05.02.2016 lehnte der Beklagte schließlich die Gewährung weiterer Leistungen der Grundsicherung ab dem 01.01.2016 ab, da die Verstorbene über eine Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert von 5.800,73 Euro verfüge und sie dieses Vermögen, unter Berücksichtigung eines Schonvermögens nach § 90 SGB XII i.H.v. 2.600,-- Euro vorrangig aufbrauchen müsse, so dass sie frühestens im April 2017 nochmals einen Antrag auf Grundsicherungsleistungen stellen könne. Der Bewilligungsbescheid vom 28.08.2015 werde gemäß § 48 Abs. 1 SGB X mit Wirkung zum 01.01.2016 aufgehoben. Gleichzeitig verwies der Beklagte auf die Möglichkeit der Beantragung von Wohngeld.

Hiergegen erhob die Verstorbene Widerspruch und machte im Wesentlichen geltend, bei der berücksichtigten Versicherung handele es sich um eine Sterbegeldversicherung, die erst bei Todesfall ausgezahlt werde. Diese sei zur Kostendeckung ihrer späteren Bestattung bestimmt.

Während des laufenden Widerspruchsverfahrens hat die Klägerin beim Sozialgericht für das Saarland (SG) - nachdem sie zuvor einen Antrag auf Durchführung eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens vor dem SG (Az.: S 25 SO 4/16 ER) stellte, den sie nach Hinweis des Gerichts zurücknahm - Untätigkeitsklage erhoben. Nach Erlass des Widerspruchsbescheids vom 01.12.2016, mit dem der Widerspruch zurückgewiesen und hierzu u.a. angeführt wurde, neben dem bereits anerkannten Schonvermögen sei hier nach § 90 Abs. 3 SGB XII weiteres Schonvermögen von allenfalls weiteren 2.600,-- Euro zu berücksichtigen, hat die Klägerin ihr...

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