Leitsatz (redaktionell)

Vermögen in Form einer Sterbegeldversicherung ist vor Verwertung geschützt, wenn es nicht zur Lebensführung dienen soll. Eine besondere Härte is gegeben, wenn die Verwertung von Vermögen bezweckt wird, welches als Vorsorge für die Zeit nach dem Tod vorgesehen ist. Dies gilt nicht für reine kapitalbildende Versicherungen, welche der Altersvorsorge ähneln und bei denen bereits zu Lebzeiten bestimmte Summen verwendet werden können. Eine Möglichkeit zur Kündigung zu Lebzeiten schließt die Zweckbestimmung von Sterbegeldversicherungen aber nicht aus.

 

Normenkette

SGB XII § 90 Abs. 2, 3 Sätze 1-2

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 13.01.2022 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, vorläufig die ungedeckten Heimpflegekosten der Antragstellerin für ihre vollstationäre Unterbringung im Haus des B-Pflegezentrum-Pflegeheims P in U ab Dezember 2021 bis zu einer Entscheidung des Sozialgerichts in der Hauptsache - längstens bis zum 30.09.2023 - nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu übernehmen.

Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

 

Gründe

Die frist- und formgerechte Beschwerde vom 28.01.22 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 13.01.2022, zugestellt am 14.01.2022, ist begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht den am 11.11.2021 gestellten Antrag auf Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Zahlung von Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII in Form der Übernahme der Heimkosten ab Dezember 2021 im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einst-weilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer solchen Regelungsanordnung setzt voraus, dass der Antragsteller sowohl das Bestehen eines materiell-rechtlichen Anspruchs auf die begehrte Leistung (Anordnungsanspruch) als auch die Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs. 2 ZPO). Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander. Es besteht zwischen beiden eine Wechselbeziehung der Art, dass die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils zu verringern sind und umgekehrt. Der Antragsteller muss die dem Anordnungsanspruch und dem Anordnungsgrund zu Grunde liegenden Tatsachen glaubhaft machen (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs. 1 und 2 ZPO), wobei als Beweismittel auch eine eidesstattliche Versicherung möglich ist (§ 294 Abs. 1 ZPO). Hierfür muss er darlegen, welche Nachteile zu erwarten sind, wenn er auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen wird und plausibel vortragen, dass er keine anderen zumutbaren Möglichkeiten hat, die Nachteile einstweilen zu vermeiden oder zu kompensieren (Bayerisches LSG Beschluss vom 19.11.2018 - L 8 AY 23/18 B ER). Die Glaubhaftmachung verlangt eine reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes; verbleibende Zweifel sind unschädlich (vgl. Hessisches LSG Beschluss vom 28.04.2020 - L 4 SO 92/20 B ER; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 86b Rn. 16b, 16c; Burkiczak in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. Stand 2022, § 86b Rn. 415).

Die Antragstellerin hat ab Dezember 2021 einen Anordnungsanspruch auf Verpflichtung des Antragsgegners zur Übernahme von Hilfe zur Pflege glaubhaft gemacht.

Die Antragstellerin ist leistungsberechtigt nach § 19 Abs. 3 iVm § 61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Danach haben Personen, die pflegebedürftig im Sinne des § 61a SGB XII sind, Anspruch auf Hilfe zur Pflege. Gemäß §§ 63 Abs. 1 Nr. 5, 65 SGB XII umfasst die Hilfe zur Pflege für Pflegebedürftige der Pflegegrade 2, 3, 4 und 5 ua auch die stationäre Pflege.

Die Antragstellerin ist im streitgegenständlichen Zeitraum unstreitig pflegebedürftig iSd §§ 61 Satz 1, 61a Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Bei ihr wurde der Pflegegrad 5 seit dem 01.05.2019 festgestellt. Sie erhält entsprechende Leistungen der Pflegekasse sowie Pflegewohngeld, die direkt an den Heimträger gezahlt werden. Die danach verbleibenden Heimkosten kann die Antragstellerin aus ihrem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels des SGB XII ab Dezember 2021 nicht mehr vollständig alleine aufbringen.

Die Antragstellerin verfügt über eine monatlich anrechenbare Altersrente (§§ 82, 85 ff. SGB XII) bis zum 31.05.2022 iHv insgesamt 1.483,10 EUR und ab dem 01.06.2022 iHv insgesamt 1.578,14 EUR. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass das Renteneinkom...

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