Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht. Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben. behinderungsgerechte Wohnumfeldverbesserung. Einbau eines Senkrechtlifts. Ausbau des Sanitärbereichs. schwellenlose Terrassentüren. elektrische Rollläden. elektrische Tür zwischen Wohnhaus und Garage. Erforderlichkeit der unmittelbaren Auswirkung auf das Berufsleben. keine Kostenübernahme bei selbstverschuldeter Schaffung von Barrieren. Obliegenheit zur barrierefreien Planung und Errichtung der eigenen Wohnung. sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Zuständigkeitsklärung. Antragsweiterleitung. weitere Weiterleitung mit Einverständnis des Antragstellers. konkludente Zustimmung
Leitsatz (amtlich)
Kosten für Beschaffung, Ausstattung und Erhaltung einer behindertengerechten Wohnung können grundsätzlich Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben darstellen. Allerdings werden hiervon nur solche Baumaßnahmen erfasst, die sich unmittelbar auf die Berufsausübung auswirken. Hierunter fallen alle Maßnahmen, die zum barrierefreien Erreichen eines Arbeitsplatzes erforderlich sind.
Dies gilt nicht für solche Baumaßnahmen, wie zB einen Senkrechtlift, die durch eine nicht behindertengerechte Planung eines Neubauvorhabens durch einen Antragsteller solcher Leistungen notwendig geworden sind. Eine Erstattung der Kosten zur Bewältigung eines erkennbar selbst geschaffenen behindertenfeindlichen Zustandes kann keine erforderliche Leistung im dargestellten Sinne sein.
Orientierungssatz
1. Wohnumfeldverbessernde Baumaßnahmen, die sich nur mittelbar auf die Berufsausübung auswirken (hier: Senkrechtlift, Arbeiten im Sanitärbereich, schwellenlose Fenstertüren zur Terrasse, Schiebe- bzw Falttüren in der Wohnung und elektrische Rollläden) zählen zur persönlichen Lebensführung und sind nicht im Rahmen der Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben förderfähig sind (vgl BSG vom 20.09.2012 - B 8 SO 15/11 R = BSGE 112, 67 = SozR 4-3500 § 92 Nr 1).
2. Wohnumfeldverbessernde Baumaßnahmen zur Erreichung des Arbeitsplatzes werden zudem dann nicht als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gefördert, wenn der behinderte Mensch im Rahmen der Planung und Ausgestaltung seiner Wohnung die nicht behindertengerechte Situation zuvor selbst geschaffen (indem er zB bei einem Neubau nicht von vornherein Bade- und Schlafzimmer ins Erdgeschoss hat legen lassen) oder kostengünstige Maßnahmen verhindert hat (hier durch Einbau einer Wendeltreppe, an welche kein Treppenlift befestigt werden kann).
3. Förderfähig als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben ist dagegen ein Türantrieb für eine (Brandschutz-)Tür zwischen Wohnhaus und Garage, wenn der behinderte Mensch zum Erreichen des Arbeitsplatzes auf einen Elektrorollstuhl und ein Kraftfahrzeug angewiesen ist.
4. Die Rehabilitationsträger können mit dem Einverständnis des Antragstellers eine „weitere“ Weiterleitung des Antrags untereinander vereinbaren, wobei die Zustimmung des Antragstellers hierfür konkludent erfolgen kann.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 11.06.2014 und der Bescheid des Beklagten vom 09.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2011 abgeändert und der Beklagte verurteilt, der Klägerin Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Höhe von 4.165,79 Euro zu gewähren; im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme der Kosten behindertengerechter Wohnumfeldverbesserungen als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Höhe von insgesamt 74.876,60 EUR.
Die Klägerin ist in C-Stadt beruflich tätig. Sie leidet an einer progredienten Muskelerkrankung, wodurch sich fortschreitend sowohl die Muskelkraft absolut als auch die Fähigkeit der Muskulatur, Leistungen über einen längeren Zeitraum zu erbringen, vermindert. Am 10.01.2011 beantragte sie zunächst bei dem Beklagten die Übernahme der Kosten für den Einbau eines Senkrechtlifts, einer neuen Terrassentür, von Schiebetüren, elektrischen Rollläden und neuen Fenstergriffen, diversen Baumaßnahmen im Sanitärbereich sowie eines elektrischen Antriebes für die T30-Tür (Brandschutztür) zwischen Wohnhaus und Garage im Rahmen eines Neubauvorhabens. Diesen Antrag zog die Klägerin mit Schriftsatz vom 16.02.2011 zurück.
Am 28.02.2011 stellte die Klägerin sodann bei der Beigeladenen erneut einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Da sich die Beigeladene für nicht zuständig erachtete, leitete sie den Antrag unverzüglich gemäß § 14 Abs. 1 IX. Buch Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) an das Kreissozialamt des Landkreises A-Stadt weiter, welcher es wiederum unverzüglich an den Beklagten zur Entscheidung weiterleitete.
Mit Bescheid vom 09.05.2011 wies der Beklagte den Antrag mit der Begründung zurück, dass es sich nicht um ...