Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. allgemeine Leistungsklage. Rechtsschutzbedürfnis. Verpflichtung zur Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs nach § 116 Abs 7 SGB 10 durch Verwaltungsakt. Forderungsübergang nach § 116 Abs 1 SGB 10. Nichtanwendbarkeit auf durch Abfindungsvergleich abgefundene Schmerzensgeldansprüche. Unbestimmtheit eines Ablehnungsbescheides. Sozialhilfe. Unterbringung in einer stationären Einrichtung. Ablehnung wegen Vermögen ohne Angabe der dem Anspruch zugrunde liegenden Anspruchsgrundlage
Leitsatz (amtlich)
1. Ein auf § 116 Abs 1, 7 SGB 12 gestützter Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers gegen den Geschädigten nach einem Abfindungsvergleich ist durch einen Verwaltungsakt geltend zu machen (vgl BSG vom 27.4.2010 - B 8 SO 2/10 R = SozR 4-1300 § 116 Nr 1). Einer dennoch erhobenen allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) fehlt insoweit das Rechtsschutzbedürfnis.
2. Ein durch einen Abfindungsvergleich abgefundener Schmerzensgeldanspruch wird von einem Forderungsübergang nach § 116 Abs 1 SGB 10 nicht erfasst und kann daher auch nicht Gegenstand eines Erstattungsanspruchs nach § 116 Abs 7 SGB 10 sein.
3. Zur Bestimmtheit eines Verwaltungsakts, der zwar über eine Kostenbeteiligung für eine vollstationäre Wohnheimunterbringung im Wege der Eingliederungshilfe, nicht aber über deren grundsätzliche Bewilligung entscheidet, so dass die Frage der Rechtmäßigkeit der Kostenbeteiligung nicht überprüft werden kann.
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird Ziffer 2 des Tenors des Urteils des Sozialgerichts für das Saarland vom 21.03.2012 wie folgt neu gefasst:
Der Kläger wird unter Aufhebung des Bescheides vom 25.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.05.2008 verpflichtet, den Antrag der Beklagten auf Gewährung von Eingliederungsleistungen in Form einer vollstationären Wohnheimunterbringung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen neu zu bescheiden.
2. Die Berufung des Klägers wird im Übrigen zurückgewiesen.
3. Der Kläger hat der Beklagten auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten: im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Erstattung der Kosten für die der Beklagten für die Zeit vom 19.03.1998 bis 31.07.2007 erbrachten Eingliederungshilfeleistungen in Höhe von insgesamt 305.610,60 EUR. Mit der Widerklage begehrt die Beklagte eine vollstationäre Wohnheimunterbringung auf Kosten des Klägers.
Die 1987 geborene Beklagte ist von Geburt an schwerstbehindert und hat einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen “H„, “G„, “B„ und “RF„. Ihr wurde die Pflegestufe III zuerkannt. Durch Beschluss des Amtsgerichts St. I. vom 22.11.2005 wurde die Mutter der Beklagten zu deren Betreuerin mit dem Aufgabenkreis aller Angelegenheiten bestellt. Nachdem der Kläger der Beklagten ab 10.01.1994 eine heilpädagogische Betreuung im Regelkindergarten als Maßnahme der Eingliederungshilfe bewilligte und sie nach ihrer Einschulung im Schuljahr 1994/95 zunächst eine Schule für geistig Behinderte besuchte, gewährte ihr der Kläger, nach Einholung einer Stellungnahme des Gesundheitsamts, eine internatsmäßige Betreuung bei dem Beigeladenen zu 3) für ihre Schulausbildung als erweiterte Hilfe und sagte die Kostenübernahme unter Leistung eines Kostenbeitrages ihrer Eltern zu (Bescheid vom 05.03.1998). Die internatsmäßige Aufnahme im Kinderheim der Beigeladenen zu 3) erfolgte zum 19.03.1998 und endete mit Abschluss der Schulausbildung zum 31.07.2007. Sie nahm im Anschluss eine Tätigkeit in der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) bei dem Beigeladenen zu 3) auf und wohnt seitdem zu Hause bei ihrer Mutter und deren Ehemann.
In einem am 09.09.2006 gestellten Antrag auf Ausbildungsförderung (BAföG), der zu den Akten gelangte, gab die Mutter der Beklagten an, dass als Vermögenswerte “320.000,-- EUR Schmerzensgeld ab 2006„ vorhanden seien. Im Laufe der folgenden Ermittlungen wurde eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung des Amtsgerichts St. I. vom 06.12.2005 betreffend Abfindung der Beigeladenen zu 2), der Haftpflichtversicherung der Beigeladenen zu 1), für Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche im Zusammenhang mit der stationären Behandlung der Mutter vor und mit der Geburt der Beklagten in dem Krankenhaus der Beigeladenen zu 1) zu den Akten gereicht und hierzu vorgetragen, das vorhandene Vermögen sei an die Beklagte ausgezahltes Schmerzensgeldkapital, was sozialhilferechtlich Schonvermögen darstelle. Daneben sei Schadensersatz wegen personeller und materieller behinderungsbedingter Mehraufwendungen für die nach der Geburt erforderliche intensive und aufwendige Betreuung, Versorgung und Pflege gezahlt worden. Ein Zugriff auf das Vermögen würde für die Beklagte bzw. deren Mutter eine besondere Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) bedeuten.
Noch vor Au...