Verfahrensgang
SG für das Saarland (Urteil vom 29.10.1986; Aktenzeichen S 14 J 180/85) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 29.10.1986 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit hat.
Die 1925 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt und war zuletzt bis 31.07.1977 als Arbeiterin in einer Fleischwarenfabrik tätig.
Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, den sie am 27.11.1984 gestellt hat, nach vertrauensärztlicher Begutachtung mit Bescheid vom 26.08.1985 ab.
Das Sozialgericht verurteilte die Beklagte mit Urteil vom 29.10.1986, Rente wegen Erwerbsunfähigkeit unter Annahme eines Versicherungsfalls im Januar 1986 vorbehaltlich der Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für die Jahre 1984 und 1985. Zur Begründung führte es aus, ausweislich der vom Gericht eingeholten Gutachten des Orthopäden Dr. H. (erstattet 16.07.1986) und des Arbeitsmediziners Dr. M. (erstattet 16.09.1986) sei die Klägerin nicht mehr in der Lage, ab Januar 1986 irgend einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Da die Klägerin die Wartezeit für eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit erfüllt habe und auch bereit sei, die freiwilligen Beiträge für die Kalenderjahre 1984 und 1985 nachzuzahlen, seien die Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gegeben. Die Ansicht der Beklagten, die Nachentrichtung der Beiträge sei nicht mehr möglich, sei im Hinblick auf die §§ 1418 Abs. 1, 1420 Abs. 2 RVO unzutreffend.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 14.11.1986 zugestellte Urteil mit einem bei Gericht am 05.12.1986 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie ist der Ansicht, die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzung von § 1247 Abs. 1 i.d.F. von Art. 1 Nr. 33 Haushaltsbegleitgesetz 1984 vom 22.03.1983 (BGBl. I S. 1532), wonach Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nur der Versicherte erhält, der zuletzt vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit eine Versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt hat. Die Klägerin erfülle auch nicht die Voraussetzungen der Übergangsregelung in Art. 2 § 6 Abs. 2 Arbeiterversicherungs-Neuregelungsgesetz (ArVNG), da sie freiwillige Beiträge weder für 1984 noch für 1985 nachentrichtet habe. Eine wirksame Nachentrichtung dieser Beiträge sei auch nicht mehr möglich. Die Regelung in §§ 1418 Abs. 1, 1420 Abs. 2 RVO, wonach freiwillige Beiträge wirksam noch bis Ablauf eines Kalenderjahres entrichtet werden könnten und diese Nachentrichtungsfrist durch die Stellung eines Rentenantrags gehemmt werde, finde deshalb keine Anwendung, weil im Zeitpunkt der Rentenantragstellung im November 1984 die in Art. 2 § 6 ArVNG geregelte erste Nachentrichtungsfrist für das erste Halbjahr 1984 schon abgelaufen gewesen sei. Die Beklagte stellt entsprechend den Antrag:
das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 29.10.1986 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Bezüglich des Sachverhalts im einzelnen wird ergänzend auf die Akten der Beklagten und die Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im übrigen statthafte Berufung ist in der Sache nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht festgestellt, daß die Klägerin unter Annahme des Versicherungsfalls im Januar 1986 erwerbsunfähig ist und sie vorbehaltlich der Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für die Kalenderjahre 1984 und 1985 Anspruch auf eine Rente hat.
Nach dem vom Sozialgericht eingeholten Gutachten von Dr. M. ist die Klägerin infolge cardio-pulmonaler Insuffizienz, Blutunterdruck, Atemnot und Schwindelerscheinungen sowie ausgeprägtem Krampfaderleiden nicht mehr in der Lage, irgend einer Erwerbstätigkeit regelmäßig nachzugehen. Der Senat hat keine Veranlassung, dieser Beurteilung nicht zu folgen, zumal auch die Beklagte sie für zutreffend hält.
Der Einwand der Beklagten, ein Rentenanspruch bestehe deshalb nicht, weil die Klägerin weder die Voraussetzungen in § 1247 Abs. 1 RVO i.d.F. des Haushaltsbegleitgesetzes 1984, wonach bis vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit eine Versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt sein muß, noch die Voraussetzungen der Übergangsregelung von Art. 2 § 6 Abs. 2 ArVNG erfülle, ist unzutreffend.
Nach Art. 2 § 6 Abs. 2 ArVNG findet § 1247 Abs. 1 RVO in der am 31.12.1983 geltenden Fassung für Versicherungsfälle auch nach diesem Zeitpunkt Anwendung, wenn der Versicherte 1. vor dem 1. Januar 1984 eine Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten zurückgelegt und 2. jeden Kalendermonat in der Zeit vom 1. Januar 1984 bis zum Ende des Kalenderjahres vor Eintritt des Versicherungsfalls mit Beiträgen belegt hat.
Unstreitig hat die Klägerin vor dem 1. Januar 1984 eine Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten zurückgelegt. Entgegen der Ansicht der Beklagten kann sie...