Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsarzt. Zulassungsentziehung wegen Ungeeignetheit (hier Rauschgiftsucht). Belange der Patienten gehen bei Interessenabwägung vor. sogenanntes Wohlverhalten. weitere Teilnahme am vertragsärztlichen System. mindestens fünfjährige Drogenabstinenz
Leitsatz (amtlich)
1. Der regelmäßige Konsum von Cannaabinoiden, sei es als "Schmerz-Medikament" oder als klassischer Drogenkonsum, führt zur Ungeeignetheit für die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung auch ohne das Vorliegen einer klassischen Drogensucht.
2. Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung gehen die Belange der Patienten, insbesondere der Schutz von Leib und Leben, dem Interesse des Arztes an der Teilnahme am vertragsärztlichen System unbedingt vor.
3. Ein sogenanntes Wohlverhalten kann allenfalls zu einer weiteren Teilnahme am vertragsärztlichen System führen, wenn eine mindestens 5-jährige Drogenabstinenz nachgewiesen werden kann.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 14.03.2007 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreites.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung.
Der 1945 geborene Kläger war als Facharzt für Allgemeinmedizin seit dem 01.07.2004 in S. nieder- und zusammen mit seinem Bruder, Dr. A. P., in einer Gemeinschaftspraxis zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Ein Tätigkeitsschwerpunkt der Praxis war die medizinische Betreuung Abhängiger und damit auch die Substitutionsbehandlung mit Opioiden.
Im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen wegen des Verdachtes eines Abrechnungsbetruges wurden am 19.07.2005 Wohnungen des Klägers in S. und in He. durchsucht. Hierbei wurden insgesamt 136,5 Gramm Haschisch und 20 - 40 Gramm Marihuana sowie THC-haltige Medikamente (Subutex und Dronabinol), die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen, aufgefunden und sichergestellt. Ein beim Kläger durchgeführter Rauschgiftvortest (Nic-Test) verlief positiv auf Cannabis-Produkte. In seiner Nachvernehmung am 20.07.2005 gab der Kläger hierzu u.a. an, er konsumiere Cannabis schon seit seiner Jugendzeit, habe den Konsum mehrmalig zwischenzeitlich aber eingestellt. Nach einer Tumor-Erkrankung (Hautkrebs) habe er den regelmäßigen Konsum von Cannabis vor ca. 3 Jahren wieder angefangen. Je nach Qualität des Cannabis “brauche„ er 2 - 5 Gramm täglich. Das Dronabinol habe er selbst benutzt; die Subutex-Tabletten nehme er nicht zu sich. Wie diese in seine Wohnungen gelangt seien, entziehe sich seiner Kenntnis.
Der Zulassungsausschuss für Ärzte für den Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung Saarland entzog dem Kläger mit Beschluss vom 20.09.2005 die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, unter dem 19.08.05 habe die Bundesknappschaft Verwaltungsstelle S., auch im Namen und im Auftrage der BKK-Rheinland-Pfalz/Saarland, der IKK Südwest-Direkt, der IKK Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland und des VdAK Landesvertretung Saarland, einen Antrag auf Entziehung der dem Kläger erteilten Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit gestellt, da von dessen Praxis Leistungen abgerechnet worden seien, deren Leistungsinhalt nicht erfüllt gewesen sei, und auch Fälle abgerechnet worden seien, ohne dass überhaupt entsprechende Behandlungen stattgefunden hätten. Für diese Falschabrechnungen sei der Kläger mitverantwortlich. Des Weiteren seien Verordnungen über Präparate ausgestellt worden, die ohne Abgabe an die Versicherten in kollusivem Zusammenwirken mit einem Apotheker zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgerechnet worden seien. Darüber hinaus sei gegen die Methadonsubstitutions-Richtlinien verstoßen worden. Für die vorgeworfenen Manipulationen in den entsprechenden Unterlagen sei der Antragsteller mitverantwortlich. Schließlich habe dieser am 30.04.2004 gegenüber dem Zulassungsausschuss wissentlich die falsche eidesstattliche Erklärung abgegeben, seinerzeit nicht drogen- oder trunksüchtig gewesen zu sein. Die dem Kläger erteilte Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung sei zu entziehen, da er gemäß § 27 Ärzte-Zulassungsverordnung (Ärzte-ZV) in Verbindung mit § 95 Abs. 5 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) in gröblicher Weise gegen vertragsärztliche Pflichten verstoßen habe. Er habe zudem unter dem 30.04.2004 im Rahmen des § 18 Abs. 2 lit. e) Ärzte-ZV eine wissentlich falsche Erklärung dahingehend abgegeben, dass er nicht rauschgiftsüchtig und dies auch nicht innerhalb der letzten 5 Jahre gewesen sei. Des Weiteren sei die Zulassung zu entziehen gewesen, da zum Zeitpunkt ihrer Erteilung eine wesentliche Voraussetzung nicht erfüllt gewesen sei. Nach der zitierten Norm habe der Antrag stellende Arzt zu erklären, dass er zum Zeitpunkt der Erklärung bzw. innerhalb der letzten fünf Jahre vor diesem Zeitpunkt - u.a. - nicht...