Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Apotheke mit Sitz in anderem Mitgliedstaat der Europäischen Union. freiwilliger Beitritt zu Rahmenvertrag über Arzneimittelversorgung nach § 129 SGB 5. Herstellerrabatt

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Apotheke mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, die dem Rahmenvertrag nach § 129 SGB V beigetreten war, hat im hier streitigen Zeitraum (Januar 2010 bis August 2016) einen Anspruch auf Erstattung des sogenannten Herstellerrabatts durch den pharmazeutischen Unternehmer.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 14.06.2023; Aktenzeichen B 3 KR 8/22 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 14.3.2019 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Rückerstattung von gezahlten Herstellerrabatten gemäß § 130a Abs. 1 SGB V in Höhe von 398.650,23 €.

Die Klägerin ist eine pharmazeutische Unternehmerin mit Sitz in Deutschland. Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft niederländischen Rechts mit Sitz innerhalb der Niederlande. Sie betreibt unter anderem eine Versand-/Internetapotheke. Die Klägerin importiert aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union Arzneimittel und bringt diese hier nach einem Anpassen an die deutschen arzneimittelrechtlichen Bestimmungen als pharmazeutische Unternehmerin in Verkehr. Die von ihr in Verkehr gebrachten Arzneimittel werden unter anderem auch von der Beklagten an Versicherte in der Bundesrepublik Deutschland abgegeben. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um verschreibungspflichtige Arzneimittel.

Die Beklagte erklärte gegenüber dem GKV-Spitzenverband am 13.11.2008, dort eingegangen am 17.11.2008, den Beitritt zum Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 3 Nr. 2 SGB V.

Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung sind die Arzneimittelkosten, die den Krankenkassen durch die Versorgung ihrer Versicherten entstehen, unter anderem durch Apothekengroßhandels- und Herstellerrabatte zu verringern. Der Gesetzgeber hat die gesetzliche Krankenversicherung unter anderem dadurch finanziell entlastet, dass die Arzneimittelhersteller Rabatte auf Arzneimittel für ihre Versicherten gewähren müssen. Diese Rabatte sind von den Herstellern aber nicht unmittelbar an die Krankenkassen abzuführen; vielmehr erhalten die Krankenkassen den Rabatt dadurch, dass sie die Rechnungen der Apotheken um den Herstellerrabatt kürzen. Die Apotheken wiederum können von den Arzneimittelherstellern die Erstattung der gekürzten Beträge gemäß § 130a Abs. 1 SGB V verlangen. (BSG B 3 KR 14/08 R Rn 3)

Demnach erfolgte die Entrichtung der Herstellerrabatte durch die Beklagte im streitbefangenen Zeitraum von Januar 2010 bis August 2016 durch Abzug der konkreten Herstellerrabatte im Rahmen der Abrechnung gegenüber den gesetzlichen Krankenversicherungen. Die Klägerin erstattete der Beklagten aufgrund der ihr von dem damit befassten Rechenzentrum zugegangenen Abrechnungen im streitbefangenen Zeitraum insgesamt 398.650,23 €, von denen sie nunmehr wegen eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 19.10.2016 meint, sie sei dazu nicht verpflichtet gewesen.

Am 5.12.2016 verlangte die Klägerin von der Beklagten die Erstattung der geleisteten Herstellerrabatte in Höhe von 398.650,23 € bis spätestens 15.12.2016.

Nachdem die Beklagte dem nicht nachgekommen war, hat die Klägerin am 20.12.2016 Klage erhoben. Sie hat im Wesentlichen vorgetragen, ihr stehe ein Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten zu; dieser sei auch nicht verjährt. Voraussetzung für das Entstehen eines Erstattungsanspruchs sei nach § 130a Abs. 1 Satz 3 SGB V das Bestehen eines Anspruches der Krankenkasse auf Entrichtung des Herstellerrabattes nach § 130a Abs. 1 Satz 1 SGB V gegen den jeweiligen pharmazeutischen Unternehmer. Gemäß § 130a Abs. 1 Satz 6 SGB V würden von der Rabattpflicht Fertigarzneimittel erfasst, deren Apothekeneinkaufspreis aufgrund der Preisvorschriften nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) bestimmt sei. Von ausländischen Versandhandelsapotheken an deutsche Verbraucher gelieferte Fertigarzneimittel unterlägen nicht den deutschen Preisvorschriften; insbesondere § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG sei unanwendbar. Diese Regelung habe der EuGH als mit Art. 34 und 36 AEUV für unvereinbar erklärt. Eine Verpflichtung gemäß § 130a Abs. 1 Satz 3 SGB V zur Erstattung von Herstellerrabatten existiere nicht. Zwar sei die Beklagte dem Rahmenvertrag zur Arzneimittelversorgung gemäß § 129 SGB V beigetreten. Soweit der EuGH aber die Anwendung der Preisvorschriften auf ausländische Versandhandelsapotheken als mit dem Gemeinschaftsrecht für unvereinbar erklärt habe, führe dies bei zutreffender Betrachtung zur Unanwendbarkeit des Rahmenvertrages auf ausländische Versandhandelsapotheken. Der Rahmenvertrag schaffe nur die Grundlage für die Geltendmachung gesetzlich geregelter Ansprüche, bestimme aber nicht den Anspruchsinhalt. Auch der Beitritt zum Rahmenvertrag führe...

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