Leitsatz (amtlich)
Bei einem Impfschaden ist zu prüfen, ob mehr Umstände für einen Zusammenhang zwischen Impfung und Gesundheitsstörungen sprechen als dagegen.
Verfahrensgang
SG für das Saarland (Urteil vom 17.07.2003) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 17. Juli 2003 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat auch die der Klägerin im Berufungsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte festzustellen hat, dass die bei der Klägerin aufgetretene Encephalitis ein Impfschaden infolge einer am 09. Oktober 1998 verabreichten Grippeimpfung im Sinne der §§ 51 Abs. 1 Nr. 3, 52 Abs. 1 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen – Bundesseuchengesetz – (BSeuchG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) – jetzt: §§ 2 Nr. 11, 60 Abs. 1 Nr. 1, 61 Satz 1 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen [Infektionsschutzgesetz – IfSG –] vom 20. Juli 2000 [BGBl. I, S. 1045 ff.] – ist.
Die 1944 geborene Klägerin ließ sich – wie im Jahr zuvor auch –, da sie an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus leidet und deshalb von einer geschwächten Abwehrlage auszugehen ist, auf Rat ihres Hausarztes Dr. Sch. am 09. Oktober 1998 gegen Influenza mit dem Grippeimpfstoff „Influvac” 98/99 (Hersteller: Solvay Duphar BV NL, vom P.-E.-Institut zugelassen mit der Zulassungs-Nr.: PEI.H.00191.01.1, Chargen-Nr.: M-0901, freigegeben am 18. August 1998) impfen. Dieser Impfstoff, Ampulleninhalt 0,5 ml, wird intramuskulär oder tiefsubkutan injiziert. Die Suspension enthält sogenannte Subunit-Antigene aus den Virushüllen verschiedener, jahrgangsweise jeweils aktueller Influenzavirusstämme, daneben einige präparatorische Zusätze und ferner nie ganz vermeidbare Rückstände von Substanzen aus Anzüchtung und Präparation.
Am 02. November 1998 treten bei der Klägerin Schwindel, Kopfschmerz, Erbrechen und Taubheitsgefühle an Wange und Zunge auf. Der von ihr konsultierte Hausarzt Dr. Sch. überwies sie am 09. November 1998 zu dem Neurologen Dr. M.. Dieser veranlasste eine Kernspintomographie, die am 11. November 1998 durchgeführt wurde (Befundbericht vom 13. November 1998). Aufgrund dessen kam es zur sofortigen stationären Einweisung in die neurologische Abteilung des Knappschaftskrankenhauses P.. Die Klägerin wurde dort bis zum 17. Dezember 1998 mit Cortison und Virostatika behandelt. Diagnostiziert wurde eine Encephalitis unklarer Genese, differentialdiagnostisch eine postvakzinale Encephalitis. Im Knappschaftskrankenhaus P. wurde am 13. November 1998 eine serologische Diagnostik durchgeführt. Dabei wurde u.a. nach Antikörpern gegen mehrere gängige oder denkbare Erreger der Encephalitis bzw. Meningo-Encephalitis, allerdings ohne Erfolg, gesucht.
Vom 22. Dezember 1998 bis 19. Januar 1999 befand sich die Klägerin in einer stationären Anschlussbehandlung in den Hochwaldkliniken in Weiskirchen (Abschlussbericht vom 05. Februar 1999). Es gelang, die neurologischen Defizite bei der Klägerin weitgehend zu reduzieren.
Mit Schreiben vom 24. November 1998 beantragte die Klägerin die Anerkennung ihrer Erkrankung als Impfschaden nach § 51 BSeuchG. Der Beklagte beauftragte sodann den Sachverständigen Prof. Dr. K., ehemaliger Direktor der Landeskinderklinik N., mit der Erstellung eines Gutachtens bezüglich der Kausalität der Grippeimpfung und der bei der Klägerin diagnostizierten Encephalitis. Prof. Dr. K. kam in seinem Gutachten vom 30. September 1999 zu dem Ergebnis, dass mit deutlich überwiegender Wahrscheinlichkeit die Encephalitis, deren erste Symptome am 02. November 1998 bei der Klägerin bemerkt worden seien, durch die Influenzaimpfung vom 09. Oktober 1998 verursacht sei. Die post-vakzinale Inkubationszeit von 24 Tagen stehe in Übereinstimmung „mit der Literatur” und den immun-pathogenetischen Mechanismen. Zwar sei der Nachweis von Antikörperbildung mit der im vorliegenden Fall im November 1998 eingesetzten Methode nicht zu erbringen, denn bei den Serumuntersuchungen seien Influenza-A/KBR und B/KBR im Normbereich gewesen. Bei oberflächlicher Betrachtung wäre somit kein Antikörperanstieg vorhanden; jedoch sei nach ausdrücklicher Versicherung des Dr. R. in einem Telefonat vom 28. September 1999, welcher der Leiter des mit der Untersuchung befassten Labors des Instituts Dr. C. sei, die dort durchgeführte Influenza-KBR in aller Regel nicht geeignet, Antikörperanstiege infolge einer Influenzaimpfung im Gegensatz zu Anstiegen infolge einer Influenza-Wildinfektion anzuzeigen. Dies habe auch Prof. Dr. M.-L. von den Universitätskliniken H. in einem Telefonat vom 28. September 1999 bestätigt.
In einer Stellungnahme des ärztlichen Dienstes des Beklagten vom 23. Mai 2000 wurde die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Grippeimpfung und der bei der Klägerin aufgetretenen Encephalitis verneint. Nach der dort vertrete...