Entscheidungsstichwort (Thema)
Verweisbarkeit eines Busfahrers bei beantragter Erwerbsminderungsrente
Orientierungssatz
1. Ein Busfahrer, der über keine Ausbildung als Berufskraftfahrer verfügt, ist in Anbetracht der regelmäßig kurzen Ausbildungs- oder Anlernzeit der Gruppe der angelernten Arbeiter zuzuordnen. Damit sind ihm, wenn er diesen Beruf nicht mehr ausüben kann, nach dem Mehrstufenschema des BSG selbst berufsfremde ungelernte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zumutbar.
2. Er ist als Angelernter der unteren Gruppe unbeschränkt auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar, ohne dass ihm eine Verweisungstätigkeit benannt werden muss. Ist er dort arbeitstäglich sechs Stunden einsetzbar, so hat er weder Anspruch auf Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung wird zurückgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der am … 1960 geborene Kläger begehrt die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Er absolvierte eine Ausbildung zum Dreher, ohne anschließend im erlernten Beruf tätig zu sein. Er war in der Folgezeit unter anderem als LKW-Fahrer beschäftigt. Über eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer verfügt er nicht.
Zum 16. April 1984 nahm er eine Beschäftigung bei der H. AG auf. Er durchlief innerbetriebliche Ausbildungen zum Umsetzfahrer (17. April bis 4. Mai 1984) und Busfahrer (2. August bis 30. Oktober 1984) und wurde, nachdem er mit Wirkung zum 1. November 1998 zum Busfahrer ernannt worden war, als Busfahrer im Linienverkehr eingesetzt. Ab dem 9. März 2011 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt und bezog nach der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall Arbeitslosengeld aus der Arbeitslosenversicherung. Das Beschäftigungsverhältnis wurde in der Folgezeit gelöst, nachdem der Kläger von der Pensionskasse der H. für dauerhaft dienstunfähig erklärt worden war.
Der Kläger war zuletzt nach Entgeltgruppe 4, Stufe 6, des Tarifvertrags über das Entgeltsystem der H. vom 16. April 2007 in Verbindung mit dem Entgelttarifvertrag der H. gültig vom 1. Oktober 2009 bis zum 31. März 2011 entlohnt worden. Zudem erhielt er einen Vergütungsausgleich auf Basis einer Eingruppierung in die Vergütungsgruppe 8, Stufe 6, des Sicherungs-Tarifvertrags, gültig ab 1. Januar 2004. Das ergab zusammen ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von 2.557 Euro. Ohne den Vergütungsausgleich hätte das monatliche Bruttoentgelt 2.262 Euro betragen.
Vom 25. Juli 2011 bis zum 19. August 2011 wurde der Kläger zu Lasten der Beklagten im Reha Centrum H1, Abteilung Psychosomatik, behandelt. Dort wurden folgende Diagnosen gestellt: Agoraphobie mit Panikstörung; mittelgradige depressive Episode; benigne essentielle Hypertonie ohne Angabe einer hypertensiven Krise; Adipositas durch übermäßige Kalorienzufuhr bei einem Body-Mass-Index von 35 bis unter 40; Hyperlipidanämie, nicht näher bezeichnet.
Dem Kläger wurde ein aufgehobenes Leistungsvermögen für die Tätigkeit als Busfahrer bescheinigt. Mittelschwere körperliche Arbeiten in wechselnder Körperhaltung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien ihm unter Ausschluss von Tätigkeiten in Nachtschicht möglich (Entlassungsbericht vom 24. August 2011). Vom 9. Januar bis zum 30. Juli 2012 erfolgte eine ambulante psychosomatische Nachsorge durch die Dipl.-Psych. S., die für ihr Fachgebiet ebenfalls eine Agoraphobie mit Panikstörung und eine mittelgradige depressive Episode diagnostizierte (Nachsorge-Bericht vom 3. August 2012). Bereits am 22. August 2011 hatte der Kläger die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente bei der Beklagten beantragt. Diese wertete die Unterlagen aus dem Rehabilitationsverfahren aus und holte eine Auskunft der H. ein. Auf dieser Grundlage lehnte sie den Antrag ab (Bescheid vom 5. Januar 2012; Widerspruchsbescheid vom 26. März 2013). Zur Begründung führte sie aus, der Kläger sei nicht erwerbsgemindert, denn er sei imstande, mittelschwere körperliche Arbeiten im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen in Tages-, Früh- und Spätschicht mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten. Es liege auch keine Berufsunfähigkeit vor. Die vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten seien der gehobenen Anlernebene zuzurechnen. Er müsse sich daher auf angelernte Tätigkeiten, aber auch auf ungelernte Tätigkeiten, die nicht zu den einfachster ihrer Art rechnen würden, verweisen lassen. Als konkrete Verweisungstätigkeit nannte die Beklagte diejenige als Fachkraft im Fahrbetrieb.
Der Ärztliche Dienst der Bundesagentur für Arbeit hatte dem Kläger zwischenzeitlich nach Aktenlage ein vollschichtiges Leistungsvermögen für gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, überwiegend im Gehen und überwiegend im Stehen attestiert. Auszuschließen seien Tätigkeiten mit hohen Anforderungen an das Umstellungs- und Anpassungsvermögen; Tä...