Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Leistungen für Asylbewerber. keine Anwendung des Sachleistungsprinzips der GKV. akuter Behandlungsbedarf. Leistungserbringung durch nicht zugelassenen Therapeuten
Orientierungssatz
1. Ein Leistungsanspruch bei akutem Behandlungsbedarf nach dem Regime der §§ 4, 6 AsylbLG unterliegt nicht dem speziellen Sachleistungsprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung.
2. Leistungen zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (juris: AsylbLG) können auch von nicht nach dem Sachleistungsprinzip in der GKV zugelassenen Therapeuten erbracht werden.
Tenor
1. Die Antragsgegnerin wird unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts vom 8. Mai 2014 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig die Kosten für eine Psychotherapie bei der Diplom-Psychologin Frau F.-O. für die Zeit bis zum 31. Juli 2014 zu übernehmen.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
3.Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.
4. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt J.R. bewilligt.
Gründe
I. Die am 20. Mai 2014 eingelegte Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 8. Mai 2014 ist statthaft und zulässig (§§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG).
Sie ist auch aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch voraus, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu welcher der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2, § 294 Zivilprozessordnung ZPO glaubhaft zu machen.
Die Antragstellerin hat zur Überzeugung des Senates sowohl einen Anordnungsanspruch (dazu unter 1.) als auch einen Anordnungsgrund (dazu unter 2.) glaubhaft gemacht.
1. Der Anordnungsanspruch ergibt sich auf der Grundlage der §§ 4 Abs. 1 Satz 1, 6 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylblG sind zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände die erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen zu gewähren. Die gesetzliche Regelung eröffnet mithin einen Anspruch auf Hilfeleistungen bei akuten Erkrankungen oder bei Schmerzzuständen, schließt hingegen Ansprüche bei chronischen Erkrankungen ohne Schmerzzustände aus.
Nach § 6 Abs. 1 AsylbLG können den nach § 1 Abs. 1 AsylbLG Berechtigten sonstige Leistungen u. a. dann gewährt werden, wenn diese im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhaltes oder der Gesundheit unerlässlich sind.
Diese Regelungen sind im (Außen)verhältnis zu der Antragstellerin ungeachtet des Umstandes maßgebend, dass die Beigeladene, die eigentliche Anspruchsverpflichtete der Ansprüche aus dem AsylbLG ist, die Krankenbehandlung nach § 264 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) i.V.m. der Vereinbarung zur Übernahme der Krankenbehandlung für nicht Versicherungspflichtige gegen Kostenerstattung nach § 264 Abs. 1 SGB V (im Folgenden: Behandlungsvereinbarung) auf die Antragsgegnerin übertragen hat. Dies ergibt sich schon aus § 2 Abs. 1 der Behandlungsvereinbarung, der deutlich macht, dass der Leistungsanspruch der Berechtigten durch das Regime der §§ 4, 6 AsylbLG bestimmt wird. Rechtssystematisch folgt dies aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin im Auftrag der Beigeladenen außerhalb des gesetzlichen Aufgabenkreises der GKV handelt (vgl. dazu BSG, Urt. v. 12.11.2013 - B 1 KR 56/12 R mit Verweis auf BSG, Urt. v. 17.06.2008 - B 1 KR 30/07 R, jeweils m.w.N.; Baierl, in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl., § 264 Rn. 24). Sie ist damit nicht der Regelungssystematik des SGB V, sondern der des AsylbLG unterworfen. Schließlich wäre es auch nicht rechtswirksam möglich, einen nach dem Gesetz gewährten Anspruch zu Lasten des Betroffenen durch einen Vertrag zwischen dem leistungsverpflichteten Träger und einem anderen Träger einzuschränken.
Das bedeutet, dass die Antragstellerin nicht in dem Sinne in das Sachleistungsprinzip der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) einbezogen ist, wie dies bei nach dem SGB V Pflichtversicherten der Fall ist. Hierauf wird noch zurückzukommen sein.
Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass die Antragstellerin an einer akuten Erkrankung leidet, die auch nach den restrik...