Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistung. Anwendbarkeit des AsylbLG trotz Übertragung der Krankenbehandlung der Leistungsberechtigten auf eine Krankenkasse durch Vereinbarung. Leistungen bei Krankheit bzw sonstige Leistungen zur Sicherung der Gesundheit. Psychotherapie. nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassener Psychotherapeut. Beschränkung der Kosten auf die Sätze der GKV

 

Orientierungssatz

1. Überträgt der für die Leistungen nach dem AsylbLG zuständige Leistungsträger die Krankenbehandlung von Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG durch eine "Vereinbarung zur Übernahme der Krankenbehandlung für nicht Versicherungspflichtige gegen Kostenerstattung nach § 264 Absatz 1 SGB V" auf eine Krankenkasse, handelt diese außerhalb des gesetzlichen Aufgabenkreises der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und ist damit nicht der Regelungssystematik des SGB 5, sondern der des AsylbLG unterworfen.

2. Der Umstand, dass ein Psychotherapeut nicht zur vertragsärztlichen Versorgung im Rahmen der GKV zugelassen ist, steht einem Anspruch nach dem AsylbLG nicht entgegen.

3. Aufgrund der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit sind die Kosten der Behandlung auf die aktuellen Sätze der GKV zu begrenzen.

 

Tenor

1. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, für den Antragsteller vorläufig die Kosten für eine Psychotherapie bei der Diplom-Psychologin Frau H. längstens für die Zeit bis zum 12. Mai 2015 bis zur Höhe der Sätze in der Gesetzlichen Krankenversicherung zu übernehmen.

2. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.

3. Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt R. beigeordnet.

 

Gründe

Der Antrag des Antragstellers, mit dem er die vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin begehrt, ihm eine psychotherapeutische Behandlung bei der Diplompsychologin und Psychotherapeutin H. zu gewähren, ist zulässig und begründet.

Nach § 86b Absatz 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch voraus, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu welcher der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind nach § 86b Absatz 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Absatz 2, § 294 Zivilprozessordnung der Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft zu machen.

Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nach § 4 Absatz 1 Satz 1, § 6 Absatz 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) glaubhaft gemacht. Nach § 4 Absatz 1 Satz 1 AsylblG sind zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände die erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen zu gewähren. Nach § 6 Absatz 1 AsylbLG können den Berechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sonstige Leistungen u. a. dann gewährt werden, wenn diese im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhaltes oder der Gesundheit unerlässlich sind.

Diese Regelungen sind im Verhältnis zu dem Antragsteller ungeachtet des Umstandes maßgebend, dass die Beigeladene, die eigentliche Anspruchsverpflichtete der Ansprüche aus dem AsylbLG ist, die Krankenbehandlung nach § 264 Absatz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. der Vereinbarung zur Übernahme der Krankenbehandlung für nicht Versicherungspflichtige gegen Kostenerstattung nach § 264 Absatz 1 SGB V auf die Antragsgegnerin übertragen hat (LSG Hamburg, Beschluss vom 18.06.2014, AZ.: L 1 KR 52/14 B ER). Rechtssystematisch folgt dies aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin im Auftrag der Beigeladenen außerhalb des gesetzlichen Aufgabenkreises der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) handelt (LSG Hamburg, a.a.O. m.w.N.). Sie ist damit nicht der Regelungssystematik des SGB V, sondern der des AsylbLG unterworfen.

Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, unter einer akuten Erkrankung zu leiden, die einer psychotherapeutischen Behandlung bedarf. Nach dem Befundbericht von Dr. T. vom 21 November 2014 ist davon auszugehen, dass der Antragsteller unter einer andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung, einer posttraumatischen Belastungsstörung und unter einer sonstigen anhaltenden wahnhaften Störung leidet. Auch eine schizophrene Psychose konnte Dr. T. nicht sicher ausschließen. Frau H. hatte bereits im ärztlichen Attest vom 21. Juli 2014 auf die Dringlichkeit einer psychotherapeutischen Behandlung hingewiesen. Im Hinblick auf die Wahrn...

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