Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Streitwertfestsetzung. offensive Konkurrentenklage. vertragsärztliches Zulassungsverfahren. erneute Auswahlentscheidung. Vergleichbarkeit mit Konkurrentenstreitigkeiten vor den Verwaltungsgerichten gem § 52 Abs 6 S 4 iVm S 1 GKG
Leitsatz (amtlich)
Der Streitwert einer offensiven Konkurrentenklage, die sich auf eine neue Auswahlentscheidung nach § 103 Abs 4 S 4 SGB 5 richtet, beläuft sich auf die Hälfte des "vollen Zulassungsinteresses" (Abweichung von LSG Schleswig vom 28.6.2007 - L 4 B 269/06 KA ER = NZS 2008, 390).
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts vom 5. Dezember 2014 abgeändert. Der Streitwert für das Klageverfahren wird auf 54.825,00 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der Senat entscheidet in der Besetzung mit drei Berufsrichtern, da die Vorsitzende der Kammer des Sozialgerichts nicht als Einzelrichterin im Sinne der §§ 66 Abs. 6 Satz 1, 68 Abs. 1 Satz 5 Gerichtskostengesetz (GKG), sondern als Kammer ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter entschieden hat (str., so bereits Beschluss des Senats vom 1. Oktober 2014 - L 5 KA 47/14 B; im Ergebnis ebenso: LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 18. März 2013 - L 4 KR 104/12 B, NZS 2013, 720 ≪nur Leitsatz≫; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 27. April 2009 - L 5 B 451/08 KA, Breith 2009, 1046; a.A. inzwischen Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 155 Rn. 9d, jeweils mit Nachweisen auch zur Gegenmeinung).
Die Beschwerde, die die Klägerin am 11. Dezember 2014 gegen den ihr am 9. Dezember 2014 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts vom 5. Dezember 2014 erhoben hat, ist nach § 197a Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 68 GKG und den §§ 172, 173 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Sie ist jedoch nur teilweise begründet. Der endgültige Streitwert für das - erledigte - Klageverfahren ist auf 54.825,00 Euro festzusetzen.
In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert gemäß § 52 Abs. 1 GKG nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
Grundsätzlich gilt, dass in Zulassungsangelegenheiten des Vertragsarztrechts der Streitwert in der Regel in Höhe der bundesdurchschnittlichen Umsätze der Arztgruppe abzüglich des durchschnittlichen Praxiskostenanteils innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren festzusetzen ist (BSG, Beschluss vom 1. September 2005 - B 6 KA 41/04 R, SozR 4-1920 § 52 Nr. 1; BSG, Beschluss vom 12. Oktober 2005 - B 6 KA 47/04 B, juris). Lediglich in einem atypischen Fall, in dem feststeht oder zumindest wahrscheinlich ist, dass der die Zulassung betreibende Arzt nicht im üblichen Umfang vertragsärztlich tätig werden will, konkrete Angaben über den in Aussicht genommenen oder zu erwartenden Umfang der vertragsärztlichen Tätigkeit aber nicht vorliegen, ist es sachgerecht, für jedes der zwölf Quartale des Dreijahreszeitraums GKG den Regelwert von 5.000 Euro anzusetzen (BSG, Beschluss vom 12. September 2006 - B 6 KA 70/05 B -, SozR 4-1920 § 47 Nr. 1).
Der Senat folgt - im Anschluss an den Beschluss Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 28. Juni 2007 (Az. L 4 B 269/06 KA ER, juris), der auch Eingang in den Streitwertkatalog der Sozialgerichtsbarkeit (4. Aufl. 2012, dort Abschnitt C.X.16.8) gefunden hat - der Rechtsauffassung der Klägerin, wonach diese Grundsätze nur eingeschränkt für das Konkurrentenverfahren um die Auswahl eines Praxisnachfolgers (§ 103 Abs. 4 Sätze 3 und 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch ≪SGB V≫) gelten können, da der Bewerber im Rahmen dieser Auswahlentscheidung nicht unmittelbar die Zulassung erlangen kann, sondern sich einer Auswahlentscheidung zwischen mehreren Bewerbern unterziehen muss und daher nur eine anteilige Chance darauf hat, dass die Auswahlentscheidung zu seinen Gunsten ausfällt (Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 28. Juni 2007 - L 4 B 269/06 KA ER, juris, Rn. 22).
Abweichend von der Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts bewertet der Senat das mit der offensiven Konkurrentenklage verfolgte Rechtsschutzinteresse daran, den Weg für eine neue Auswahlentscheidung der Zulassungsgremien nach § 103 Abs. 4 Satz 4 SGB V freizumachen, jedoch höher als mit einem Drittel des nach allgemeinen Kriterien ermittelten “vollen Zulassungsinteresses„. Hierbei fällt ins Gewicht, dass auch hinter einer offensiven Konkurrentenklage vor dem rechtlichen Hintergrund des § 103 Abs. 4 SGB V der Rechtsstandpunkt steht (zur Mitberücksichtigung eines solchen Rechtsstandpunkts BSG, Urteil vom 28. November 2007 - B 6 KA 26/07 R, BSGE 99, 218), den maßgeblichen Auswahlkriterien (§ 103 Abs. 4 Satz 5 Nrn. 1 bis 7 SGB V) im Ergebnis eher zu entsprechen als der vom Zulassungsausschuss ausgewählte Bewerber und daher zumindest einen Anspr...