Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer. gewöhnlicher Aufenthalt im Bundesgebiet seit mindestens fünf Jahren. Glaubhaftmachung. Nichterforderlichkeit fortwährender und melderechtskonformer Anmeldungen
Leitsatz (amtlich)
Die Rückausnahme nach § 7 Abs 1 S 4 und 5 SGB II setzt eine einmal erfolgte Anmeldung bei der (damals) zuständigen Meldebehörde - und im Übrigen die Glaubhaftmachung (bzw in einem Klageverfahren den Nachweis) eines fünfjährigen gewöhnlichen Aufenthalts im Bundesgebiet ohne wesentliche Unterbrechungen - voraus, nicht aber fortwährende und überdies melderechtskonforme Anmeldungen während der gesamten Dauer der Fünfjahresfrist (so aber wohl LSG Schleswig vom 4.5.2018 - L 6 AS 59/18 B ER = FEVS 70, 89; offenlassend LSG Halle vom 7.2.2019 - L 2 AS 860/18 B ER; wie hier LSG Berlin-Potsdam vom 6.6.2017 - L 15 SO 112/17 B ER = ZFSH/SGB 2017, 646 und LSG Essen vom 23.4.2018 - L 7 AS 2162/17 B ER).
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat der Antragstellerin auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe
Die nach den Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Beschwerde des Antragsgegners vom 11. Februar 2019 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 7. Februar 2019 ist nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht im Wege der einstweiligen Anordnung entschieden, dass der Antragsgegner der Antragstellerin vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 4. Dezember 2018 bis zum 31. Mai 2019 zu gewähren habe. Das Beschwerdevorbringen gibt zu einer anderen Beurteilung keinen Anlass. Auch der Senat hält es für überwiegend wahrscheinlich, dass die 1974 geborene Antragstellerin - die die p. Staatsangehörigkeit besitzt und zuletzt nach einer kurzen Beschäftigung (1. Dezember 2017 bis 28. Februar 2018) vom Antragsgegner Leistungen für die Zeit vom 1. Mai 2018 bis zum 31. August 2018 unter Zugrundelegung des Regelbedarfs (416,00 Euro), eines Mehrbedarfs für die Warmwassererzeugung (9,57 Euro) und Kosten der Unterkunft und Heizung (388,35 Euro) erhielt - jedenfalls seit dem 13. Januar 2019 nicht mehr dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 b) SGB II unterfällt (I.) Es begegnet auch keinen Bedenken, ihr Leistungen für die davor liegende Zeit zuzusprechen, nämlich bereits ab dem Tag der Eilantragstellung bei Gericht, dem 4. Dezember 2018 (II.).
I.
Entgegen der Auffassung des Antragsgegners und Beschwerdeführers dürfte der Antragstellerin - selbst wenn sie gegenwärtig allein ein Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitsuche besäße und damit an sich nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 b) SGB II von den Leistungen des SGB II ausgeschlossen wäre - ab dem 13. Januar 2019 ein Leistungsanspruch nach § 7 Abs. 1 S. 4 SGB II zustehen. Hiernach erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen abweichend von § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben und der Verlust des Rechts auf Aufenthalt nach § 2 Abs. 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU (FreizügG/EU) nicht festgestellt wurde. Die Frist beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde (§ 7 Abs. 1 S. 5 SGB II). Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet (§ 7 Abs. 1 S. 6 SGB II). Die Voraussetzungen dieser Rückausnahme vom Leistungsausschluss sind nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens erfüllt.
Die Antragstellerin, die bereits vom 19. November 2007 bis zum 23. Februar 2012 und vom 3. August 2012 bis zum 30. April 2013 in H. gemeldet war, seit dem 1. Mai 2018 erneut hier gemeldet ist und bezüglich derer der Verlust des Rechts auf Aufenthalt nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU bisher nicht festgestellt wurde, dürfte seit dem 13. Januar 2014 ihren gewöhnlichen Aufenthalt (erneut) im Bundesgebiet haben. Laut Meldeauskunft vom 4. Dezember 2018 war sie ab diesem Tag wieder in H. gemeldet, nachdem sie sich zuvor nach eigenen Angaben von Mai 2013 an in Ö. aufgehalten hatte. Der Zeitraum der Meldung erstreckt sich zwar nur bis zum 14. Februar 2014, doch stellt der Senat für den Fristbeginn gleichwohl auf den 13. Januar 2014 ab - und nicht erst auf den 1. September 2014 (Meldung in Z., Sachsen-Anhalt) oder den 1. März 2016 (erneute Meldung in H.) -, weil nicht ersichtlich ist, dass der am 13. Januar 2014 begonnene gewöhnliche Aufenthalt im Bundesgebiet in der Folgezeit wesentliche Unterbrechungen erfahren hätte. Durch den von der Antragstellerin vorgelegten Versicherungsverlauf der Deutschen Rentenversicherung und durch ihn ergänzende Dokumente (Arbeitsverträge, elektronische Lohnsteuerbescheinigung, Meldebescheinigungen zur Sozialversicherung, Kündigung) ist glaubhaft gemacht worden, dass die Antragstellerin vom 15...