Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenerhebung im sozialgerichtlichen Verfahren
Leitsatz (amtlich)
Greift ein selbständig Tätiger einen Beitragsbescheid des Rentenversicherungsträgers mit der Begründung an, er sei nicht versicherungspflichtig bzw. von der Versicherungspflicht befreit, so ist das Verfahren gemäß § 183 S 1 SGG selbst dann kostenfrei, wenn der Kläger im Falles des Obsiegens nicht zum Kreis der Versicherten gehört.
Normenkette
SGG §§ 197a, 183; GKG § 63 Abs. 1 Sätze 1-2, §§ 52, 66, 19, 3 Abs. 2 nebst Anlage I Teil 7 Nr. 7110, § 6 Abs. 1 Nr. 4, § 22 Abs. 1, § 29 Nr. 1
Verfahrensgang
SG Hamburg (Beschluss vom 09.05.2005; Aktenzeichen S 42 R 1005/05) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 9. Mai 2005 (S 42 R 1005/05) aufgehoben.
Gründe
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 9. Mai 2005, mit welchem dieses auf der Grundlage einer gleichzeitigen Festsetzung des “vorläufigen Streitwerts” entschieden hat, dass der Kläger “die Verfahrensgebühr” trage, ist zulässig und begründet.
Die Beschwerde ist gemäß § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Dem steht § 63 Abs. 1 Satz 2 Gerichtskostengesetz (GKG) nicht entgegen; der Kläger wendet sich hier nicht gegen die Höhe der vorläufigen Wertfestsetzung, sondern dagegen, dass das Sozialgericht überhaupt eine Entscheidung nach § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG getroffen hat und ihm infolgedessen durch Beschluss eine Verfahrensgebühr auferlegen will. § 197a SGG in Verbindung mit § 158 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung schließt die Beschwerde schon deswegen nicht aus, weil, wie unten ausgeführt wird, ein Fall nach § 197a SGG nicht vorliegt. Die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen und die es dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt hat, sind gemäß § 173 SGG ebenfalls gegeben.
Dem Kläger fehlt es für die Beschwerde nicht am Rechtsschutzbedürfnis. Die für die Entscheidung über die Erhebung von Gerichtsgebühren zunächst zuständige Justizkasse (vgl. § 19 GKG) hat zwar dem Kläger gegenüber im dafür vorgesehenen Verwaltungsverfahren noch keine eine Verfahrensgebühr betreffende Kostenrechnung erstellt, und die Festsetzung eines vorläufigen Streitwertes ist – mangels Geltendmachung der Gebühr – für sich genommen noch nicht belastend. Der Beschluss des Sozialgerichts enthält jedoch, ohne dass insoweit das Gericht originär zur Entscheidung berufen gewesen wäre (vgl. § 66 Abs. 1 Satz 1 GKG), die den Kläger beschwerende Aussage, er habe eine Verfahrensgebühr nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes zu tragen.
Die Beschwerde ist auch begründet. Der Kläger ist rechtlich nicht zur Zahlung einer Verfahrensgebühr verpflichtet. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts ergibt sich dies nicht aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (§ 3 Abs. 2 nebst Anlage I Teil 7 Nr. 7110, § 6 Abs. 1 Nr. 4, § 22 Abs. 1 GKG, vgl. auch § 29 Nr. 1 GKG); dementsprechend geht auch die vorläufige Wertfestsetzung gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1, § 52 GKG ins Leere.
Nach § 197a SGG werden im sozialgerichtlichen Verfahren Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört. An dieser Voraussetzung fehlt es. Der Kläger hat hier nämlich als in dieser Eigenschaft am Verfahren beteiligter Versicherter gemäß § 183 Satz 1 SGG zu gelten. Es trifft zwar zu, dass die Versicherteneigenschaft des Klägers, der sich in der Hauptsache mit der Anfechtungsklage gegen eine Beitragsforderung der Beklagten gerade mit der Begründung wendet, er sei als Selbständiger von der Beitragspflicht befreit, nicht eindeutig feststeht. Damit aber scheidet er hier nicht aus dem durch § 183 SGG begünstigten Personenkreis aus. Die Bestimmung in § 197a SGG, welche die nach dem Gerichtskostengesetz zu behandelnden Verfahren nur negativ abgrenzt (vgl. Hennig, SGG, Kommentar, Loseblattsammlung, Stand Febr. 2004, § 197a Rn. 2), ist als Sondervorschrift (Ausnahme) zu dem im sozialgerichtlichen Verfahren weiterhin geltenden Grundsatz der Gebührenfreiheit (vgl. § 183 SGG a.F.) zu verstehen (Zeihe, Soziale Gesetzgebung und Praxis, Das Sozialgerichtsgesetz und seine Anwendung, Kommentar, 8. Auflage 2004, § 197a Rn. 6), der auch durch das Sechste Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes vom 17. August 2001 (BGBl. I S. 2144) nicht beseitigt worden ist (Rohwer-Kahlmann, Aufbau und Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit, Kommentar zum SGG, Loseblattsammlung, 4. Aufl., Band III, Stand Jan. 2005, § 183 Rn. 1). Sie ist daher eng auszulegen mit der Folge, dass es dann, wenn ein Sozialleistungsträger gegen einen Betroffenen auf der Grundlage des Sozialgesetzbuchs vorgeht, für diesen bei dem Kostenprivileg des § 183 Satz 1 SGG bleibt (Zeihe, a.a.O., § 183 Rn. 9a; ebenso, wenn es um Statusfragen geht: LSG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 21. Dezember 2004, L 5 LW 13/04 – juris ...