Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Anspruch auf Gewährung einer Mammareduktionsplastik bei Gigantomastie
Orientierungssatz
1. Soweit bei übergroßen Brüsten eine Mammareduktionsplastik aufgetretene Rückenbeschwerden beeinflussen kann, so kann eine mittelbare Therapie zwar grundsätzlich vom Leistungsanspruch umfasst sein. Dann muss jedoch die chirurgische Behandlung in Form einer Brustverkleinerung ultima ratio sein.
2. Voraussetzung in einem solchen Fall ist, dass die Versicherte in ausreichendem Umfang mit konventionellen Therapien versucht hat, die bei ihr vorliegenden Beschwerden zu lindern.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Mammareduktionsplastik.
Die 1966 geborene und bei der Beklagten versicherte Klägerin beantragte bei der Beklagten im April 2013 die Kostenübernahme für eine Mammareduktionsplastik. Beigefügt war ihrem Antrag ein Arztbrief der P. Klinik H., wonach makromastiebedingte Schmerzen im Bereich der oberen Brustwirbelsäule, der Halswirbelsäule sowie Kopfschmerzen ins verlängerte Mark fortgesetzt bestünden, sowie rezidivierende intramammäre intertriginöse Entzündungen und Anisomastie und schmerzhafte Brustdrüsen beidseits.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 13. Juni 2013 ab. Zur Begründung bezog sie sich auf Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) aus einem entsprechenden vorherigen erfolglosen Verwaltungsverfahren der Klägerin. Zur Frage der Indikation eines operativen Eingriffs hatte Dr. Z. im November 2008 ausgeführt, im Bereich der Mamma bestehe kein regelwidriger Körperzustand; aus der Brustgröße allein resultiere keine Fehlfunktion. Zudem bestünden keine evidenz-basierten Daten zur Korrelation von Brustgröße und Skelettbeschwerde. Indiziert sei Wirbelsäulengymnastik oder sonstige Bewegungstherapie. Dr. L. war im Januar 2009 nach Untersuchung der Klägerin zu der Einschätzung gelangt, die Wirbelsäule zeige sich lotrecht, es habe kein Klopfschmerz über den Wirbelkörpern, kein Druckschmerz über den Dornfortsätzen, keine paravertebralen Myogelesen bestanden, Schnürfurchen im Bereich der Schultern seien nicht erkennbar gewesen, die Kutis der Mama sei unauffällig gewesen. Eine Indikation für eine Mammareduktionsplastik bestehe nicht, Physiotherapie sei indiziert.
Auf den Widerspruch der Klägerin hin kam Dr. L. am 7. November 2013 nach Auswertung der aktuellen Unterlagen erneut zu dem Ergebnis, dass eine Mammareduktion nicht medizinisch indiziert sei. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2013 zurückgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin am 16. Januar 2014 Klage erhoben. Sie habe Anspruch auf Übernahme der Kosten einer beidseitigen Mammareduktionsplastik, da sie durch das Zuggewicht ihrer schweren Brüste seit vielen Jahren unter schmerzhaften Beschwerden im Bereich der oberen Brustwirbelsäule, der Halswirbelsäule und Kopfschmerzen leide, die Gigantomastie bei ihrer Körpergröße von nur 1,52m zudem entstellenden Charakter habe und nur die begehrte Operation in der Lage sei, die Krankheit zu heilen.
Das Sozialgericht hat auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten des Facharztes für Plastische Chirurgie Dr. W. eingeholt. Dieser ist in seinem Gutachten vom 18. Juni 2015 zu dem Ergebnis gekommen, dass die Brüste der Klägerin deutlich größer und schwerer seien als bei einer "durchschnittlichen" Frau. Untersuchungen hätten gezeigt, dass bei Patientinnen mit Operationswunsch die Beschwerden, die auch bei Patientinnen ohne Operationswunsch angegeben wurden, vorlagen, dass diese Beschwerden jedoch deutlich schwerwiegender und schlimmer empfunden und eingeschätzt wurden. Maß für eine medizinische Intervention müsse aber immer das individuelle Leiden des einzelnen Patienten sein. Eine permanente Verbesserung der Symptome durch Gewichtsreduktion, Physiotherapie oder Medikamente (Analgetika, Muskelrelaxantien) habe in diesen Studien nicht erreicht werden können. Es liege bei der Klägerin damit ein regelwidriger Körperzustand im Sinne einer Fehlfunktion bezüglich der Brustgröße vor, der durch eine operative Intervention im Sinne einer Brustverkleinerung verändert werden sollte. Bei der körperlichen Untersuchung der Klägerin habe ein Intertrigo nicht bestanden, entsprechende im Sommer auftretende Beschwerden seien mit hygienischen Maßnahmen gut beherrschbar. Die körperliche Untersuchung im Jahr 2009 durch Dr. L. habe eine lotrechte Wirbelsäule ohne Klopfschmerz über den Wirbelkörpern, ohne Druckschmerz über den Dornfortsätzen und ohne paravertebrale Myogelosen ergeben. HWS-Beweglichkeit, Rumpfrotation und Seitwärtsneigung seien unauffällig gewesen. Dennoch seien die von der Klägerin geklagten Beschwerden im Bereich den Rückens und des Nackens glaubhaft gewesen und in Anbetracht des gesunden Rückens auf die Brustgröße zurückzuführen. Entstellend wirke der Anblick de...