Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bedarfsgemeinschaft. Vorliegen einer Partnerschaft. Vermutungsregelung. mehrjähriges Zusammenleben auf engstem Raum (hier: 39,93 qm). Verweigerung der Mitwirkung an weiterer Sachverhaltsaufklärung. fehlende Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs

 

Leitsatz (amtlich)

1. Neben dem Zeitablauf ist für das Eingreifen der Vermutung des gegenseitigen Einstandswillens erforderlich, dass ein partnerschaftliches Zusammenleben in einem Haushalt feststeht.

2. Bei einer Sachlage, bei der Umstände auf das Vorliegen eines über eine Wohngemeinschaft hinausgehenden partnerschaftlichen Zusammenlebens schließen lassen, bei der aber die weitere Prüfung des Sachverhalts ohne eine Mitwirkung des Antragstellers nicht möglich ist, geht das Fehlen eingehender Feststellungen zu den Lebensverhältnissen zu Lasten des Antragstellers und ist der Nachweis eines partnerschaftlichen Zusammenlebens als erfüllt anzusehen.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 24. Mai 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die am 30. Mai 2011 eingelegte Beschwerde der Antragstellerin gegen den am 25. Mai 2011 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 24. Mai 2011, durch den der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt worden ist, ist statthaft und zulässig (§ 172 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 in Verbindung mit § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 173 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG). Sie ist jedoch unbegründet.

Das Sozialgericht hat es im Ergebnis zu Recht abgelehnt, dem Begehren der Antragstellerin zu entsprechen, den Antragsgegner vorläufig im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ohne Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen des Herrn S. E. zu gewähren. Insoweit nimmt der Senat auf den Beschluss des Sozialgerichts entsprechend § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG Bezug.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2, § 294 der Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft zu machen. Die Antragstellerin hat jedoch nicht in dem hohen Maße, das für den Erlass einer die Hauptsache faktisch vorwegnehmenden einstweiligen Anordnung erforderlich ist, dargelegt und glaubhaft gemacht, die beantragten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zur Zeit beanspruchen zu können und hierauf zur Vermeidung wesentlicher Nachteile angewiesen zu sein.

Die Beschwerdebegründung, mit der im Wesentlichen vorgetragen wird, dass das Sozialgericht die Darlegungs- und Beweislast in § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II verkannt habe, gibt keine Veranlassung zu einer abweichenden Betrachtung. Denn es liegen hinreichende Indizien dafür vor, dass die Antragstellerin und Herr S. E. eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II bilden.

Zur Bedarfsgemeinschaft gehören nach § 7 Abs. 3 Nrn. 1 und 3c SGB II die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten - dies betrifft die am 20. Mai 1969 geborene Antragstellerin - und als Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten eine Person - hier der am ... 1972 geborene Herr S. E. -, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.

Mit der zum 1. August 2006 neu gefassten Regelung des § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II umschreibt der Gesetzgeber nach wie vor die so genannte eheähnliche Lebensgemeinschaft. Dass der Gesetzgeber an dem damit verbundenen Begriffsinhalt auch mit der Neufassung festhalten wollte, ergibt sich schon aus dem Anlass der Umformulierung der Vorschrift. Diese sollte lediglich dazu dienen, in die Definition auch gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften einzubeziehen. Vor diesem Hintergrund war es nicht erforderlich, von dem tradierten Begriff der Einstandsgemeinschaft - wie er vom Bundesverfassungsgericht, Bundessozialgericht und Bundesverwaltungsgericht entwickelt worden ist - abzuweichen (vgl. Beschluss des Senats vom 4. 3. 2010, Az.: L 5 B 471/09 ER AS).

Was Inhalt dieses Begriffes ist und was bei der Prüfung des Vorliegens einer solchen Einstandsgemeinschaft zu beachten ist, hat das Sozialgericht umfassend und zutreffen...

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