Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweislast hinsichtlich des nicht bezogenen Arbeitsentgelts bei der Bewilligung von Insolvenzgeld

 

Orientierungssatz

1. Macht ein Versicherter einen Anspruch auf Gewährung von Insolvenzgeld nach § 165 Abs. 1 SGB 3 bzw. nach § 183 Abs. 1 SGB 3 a. F. geltend, so trägt er die Beweislast dafür, dass er im maßgeblichen Bewilligungszeitraum kein Arbeitsentgelt erhalten hat.

2. Im gerichtlichen Verfahren kommt die Regel der objektiven Beweislastverteilung erst dann zur Anwendung, wenn alle verfügbaren Erkenntnisquellen ausgeschöpft sind und wenn es nach eingehender Erforschung des Sachverhalts und sorgfältiger Würdigung der erhobenen Beweise nicht gelingt. eine in tatsächlicher Hinsicht bestehende Ungewissheit zu beseitigen (BSG Urteil vom 24. 11. 2010, B 11 AL 35/09 R).

 

Tenor

1. Das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 5. Dezember 2011 wird aufgehoben. Die Bescheide der Beklagten vom 26. Oktober 2009 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 8. Dezember 2009 werden hinsichtlich der Erstattung des auf das Insolvenzgeld erbrachten Vorschusses aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu neun Zehnteln zu erstatten. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch auf Insolvenzgeld für die Zeit vom 1. Oktober 2008 bis zum 31. Dezember 2008 sowie eine Verpflichtung des Klägers zur Erstattung eines auf das zu erwartende Insolvenzgeld gezahlten Vorschusses.

Der am … 1952 geborene Kläger meldete sich am 30. Dezember 2008 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). Hierbei gab er an, er sei seit dem 5. November 2007 bei der Firma T. GmbH (i.F.: Arbeitgeber) als Maurer beschäftigt gewesen, die das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 23. Dezember 2008 zum 1. Januar 2009 gekündigt habe. Die Entgeltansprüche für die Monate Oktober, November und Dezember 2008 seien noch offen. Die Beklagte holte eine Arbeitsbescheinigung ein, wonach der Kläger zuletzt als Servicearbeiter beschäftigt gewesen sei. Die Frage, ob der Kläger für eine zusammenhängende Zeit von mehr als einem Monat kein Arbeitsentgelt erhalten habe, verneinte der Arbeitgeber. Weiter heißt es, der Kläger habe in den letzten zwölf Monaten beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von insgesamt 27.300,- Euro (monatlich jeweils 2275.- Euro) erhalten. Die Beklagte bewilligte daraufhin Alg für die Zeit ab dem 1. Januar 2009. Ab dem 27. April 2009 war der Kläger wieder in Arbeit.

Am 13. Februar 2009 beantragte der Kläger Insolvenzgeld (Insg) und gab hierbei an, das Arbeitsentgelt für die Monate Oktober, November und Dezember 2008 sei in Höhe von monatlich jeweils 1.721,67 Euro netto noch offen. Beigefügt waren Entgeltabrechnungen betreffend die genannten Monate sowie eine Insg-Bescheinigung des Arbeitgebers, in der von einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 17. Dezember 2008 die Rede ist und die ansonsten das klägerische Vorbringen bestätigt.

Die Beklagte gewährte mit Bescheid vom 18. Februar 2009 einen Vorschuss auf das Insg in Höhe von 4.640 Euro (90 Prozent des von der Beklagten errechneten Gesamtanspruchs in Höhe von 1.721,67 X 3 = 5165,01 Euro). Weiter hieß es, eine abschließende Entscheidung sei nicht möglich, denn es liege, da noch kein Insolvenzereignis festgestellt worden sei, noch keine Insg-Bescheinigung vor.

Das Insolvenzverfahren wurde aufgrund Antrag einer Gläubigerin vom 19. November 2008 am 8. April 2009 vom Amtsgericht Hamburg (Az. ...) eröffnet. Auf die Bitte der Beklagten um Übersendung einer Insg-Bescheinigung erklärte der (im Klageverfahren beigeladene) Insolvenzverwalter, Rechtsanwalt A, es habe im Insolvenzzeitraum verschiedene Barauszahlungen gegeben, deren ordnungsgemäße Verwendung bislang nicht abschließend zu prüfen gewesen sei.

Im Oktober 2009 beantrage der Kläger die Auszahlung des vollen Insg und führte aus, der Insolvenzverwalter verweigere ohne rechtlichen Grund die Ausstellung der entsprechenden Bescheinigung. Er fügte eine eigene eidesstattliche Versicherung bei sowie ein Schreiben des (seinerzeit für den Arbeitgeber tätigen) Lohn-, Kontierungsbüros … Z. bei, in dem es heißt, nach den dort vorliegenden Buchungsunterlagen sei nicht ersichtlich, dass der Kläger in der Zeit von Oktober 2008 bis Dezember 2008 Lohnzahlungen erhalten habe.

Der Insolvenzverwalter erklärte - unter Vorlage seines Schriftverkehrs mit dem Kläger sowie seines Insolvenzberichts - er halte einen Anspruch auf Insg nicht für glaubhaft dargelegt. Es überwögen die Hinweise auf ein kollusives Zusammenwirken der Beteiligten. Aus diesem Grund habe er keine Insg-Bescheinigung gefertigt. Das Kassenbuch des Arbeitgebers weise am 1. Oktober 2008 Auszahlungen von Gehalt in Höhe von 17.299,36 Euro aus. Unter dem 31. Dezember 2008 seien nochmals Zahlungen in Höhe von 12.749,41 Euro an Gehältern und Darlehen verbucht. Auf Nachfragen, wann er auf welchen Baustellen er im Insg-Zeitraum b...

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