Entscheidungsstichwort (Thema)
Übernahme von Mietschulden des Hilfebedürftigen im Wege der Direktzahlung an den Vermieter durch den Sozialhilfeträger. Einverständniserklärung
Orientierungssatz
1. Schulden des Hilfebedürftigen können vom Sozialhilfeträger nach § 36 Abs. 1 SGB 12 nur übernommen werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht.
2. Direktzahlungen an den Vermieter sollen nach § 35 Abs. 1 SGB 12 erfolgen, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Die Vorschrift ist restriktiv auszulegen, weil sie die Gefahr einer Entmündigung des Hilfebedürftigen in sich trägt.
3. Die Direktzahlung an den Vermieter hat u. a. zu erfolgen, wenn die konkrete Gefahr besteht, der Hilfebedürftige werde die Mietzahlung nicht in vollem Umfang an den Vermieter weiterleiten. Bei der Abwägung mit den Interessen daran, die drohende Räumung sicher zu vermeiden, müssen die Interessen des Hilfebedürftigen an der selbstbestimmten Mittelverwendung zurücktreten.
Normenkette
SGB XII § 35 Abs. 1, § 36 Abs. 1
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Zahlung von Sozialhilfeleistungen in Form einer Mietschuldenübernahme an die Eigentümerin der vom Kläger bewohnten Wohnung.
Der 1936 geborene Kläger erhält mindestens seit September 2005 laufende Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) i.V.m. dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) von der Beklagten.
Seit Ende 1999 kam es wiederholt zu Auseinandersetzungen - z.T. auch unter Einschaltung des zuständigen Amtsgerichts - zwischen dem Kläger und seiner Vermieterin, der S. u.a. über die Berechtigung von Mieterhöhungen bzw. Mietminderungen. Der Kläger zahlte verschiedentlich nur eine geminderte Miete an die S. bzw. berücksichtigte zwischenzeitlich erfolgte Mieterhöhungen bei seinen Zahlungen nicht. Infolgedessen kam es im Verlauf der Jahre zu erheblichen Forderungsrückständen. Am 3. November 2005 verurteilte das Amtsgericht Hamburg-G1 den Kläger zur Zustimmung zu einer Mieterhöhung ab dem 1. Januar 2005 (Aktenzeichen 918 C 143/05). Nachdem die S. aufgrund der aufgelaufenen Rückstände das Mietverhältnis gekündigt hatte, verurteilte das Amtsgericht Hamburg-G1 den Kläger mit Versäumnisurteil vom 6. Februar 2007 zur Räumung der von ihm bewohnten Wohnung. Der Gerichtsvollzieher kündigte die zwangsweise Räumung für den 19. August 2009 an.
Am 12. August 2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Übernahme der Mietrückstände. Die S. erklärte sich gegenüber der Beklagten bereit, auf die Räumung zu verzichten, sofern die Zahlungsrückstände in Höhe von 7.285,13 Euro (ausstehende Mietzahlungen sowie Verfahrenskosten) übernommen würden, und übersandte eine Forderungsaufstellung für die Zeit ab November 1999. Für die Einzelheiten dieser Forderungsaufstellung wird auf Bl. 168 bis 173 der Verwaltungsakte verwiesen.
Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 15. September 2009 mit, dass sie zu einer Übernahme der Rückstände bereit sei, wenn der Kläger sein Einverständnis damit erteile, dass die Miete in Zukunft von der Beklagten direkt an die S. gezahlt werde. Ohne sein Einverständnis komme eine Übernahme der Mietschulden nicht in Betracht, da aufgrund der Aktenlage davon ausgegangen werden müsse, dass künftige Mietzahlungen nicht bzw. nicht in Gänze gesichert seien. Der Kläger äußerte mit Schreiben an die Beklagte vom 12. Oktober 2009 Zweifel hinsichtlich der Höhe der Forderung der S., weshalb die Zahlung nur unter Vorbehalt zu leisten sei und er sein Einverständnis mit einer Direktzahlung künftiger Mieten an die S. nur unter der Voraussetzung erkläre, dass die S. auf die Räumung aus dem Versäumnisurteil verzichte, das Versäumnisurteil herausgebe und sich dahingehend mit ihm einig erkläre, dass der Mietvertrag ununterbrochen Bestand habe. Mit Schreiben vom 26. Oktober 2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sich die S. mit einem solchen Vorgehen nicht einverstanden erklärt habe und nur bereit sei, den Kläger weiter in der Wohnung zu dulden, wenn die künftigen Mietzahlungen in voller Höhe und ohne Vorbehalt geleistet würden. Der Kläger erklärte sich mit Schreiben vom 13. November 2009 mit der Direktzahlung der Miete an die S. unter bestimmten Bedingungen einverstanden. Wörtlich heißt es in diesem Schreiben: "aufgrund meiner Zwangslage bin ich damit einverstanden, dass die von mir geforderte Miete in Höhe von 428,24 EUR aus der mir gewährten laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt pünktlich bis zum 3. jeden Monats ab dem nächstmöglichen Zeitpunkt und die von Ihnen übernommene einmalige "Mietrückstandsforderung" der S. gegenüber mich in Höhe von 7.285,13 EUR durch Sie an die Vermieterin S. geleistet werden. Mein Einverständnis erlangt Gülti...