Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilferecht: Leistungen der Hilfe zur Pflege. Voraussetzung eines Anspruchs auf Übernahme der Kosten für eine Pflegeperson durch den Sozialhilfeträger
Orientierungssatz
Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für Pflegekräfte gegenüber dem Sozialhilfeträger scheidet jedenfalls dann aus, wenn die Pflegekräfte nicht im Rahmen eines Arbeitgebermodells durch den Pflegebedürftigen sozialversicherungspflichtig beschäftigt werden und durch den Pflegebedürftigen auch keine (insoweit vorrangigen) Sachleistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung in Anspruch genommen werden. Das gilt auch dann, wenn der Pflegebedürftige die Pflege durch eine bestimmte Person wünscht, die Ausgaben dafür aus in der Person dieser Pflegekraft liegenden Gründen (hier: kein professioneller häuslicher Pflegedienst) jedoch nicht als Sachleistungen in der Pflegeversicherung übernommen werden können.
Tenor
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 19. Mai 2010 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten höhere Leistungen der Hilfe zur Pflege.
Die 1939 geborene Klägerin leidet seit 1975 an Lähmungen in beiden Beinen. Sie ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 100 sowie den Merkzeichen G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr), aG (außergewöhnliche Gehbehinderung), B (Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson), H (Hilflosigkeit) und RF (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht). Sie erhält eine Altersrente und aufstockend Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - SGB XII.
Seit Juni 1987 erhielt die Klägerin von der Beklagten Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt sowie Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG), zuletzt monatlich 910,- DM für eine Pflegekraft, 283,50 DM Pflegegeld und 611,- DM Hilfe zur Weiterführung des Haushalts. Die Pflege sowie die Haushaltshilfe übernahm eine private Pflegekraft, Frau S., die hierfür von der Klägerin monatlich 1.800,- DM erhielt.
Mit Bescheid vom 12. Mai 1995 stellte die Pflegekasse der Klägerin, die AOK S., fest, dass bei der Klägerin die Voraussetzungen für die Pflegestufe 2 vorliegen und bewilligte ein Pflegegeld in Höhe von monatlich 800,- DM. In dem Bescheid wurde ferner darauf hingewiesen, dass die Klägerin alternativ zum Pflegegeld Pflegesachleistungen in Form von Pflegeeinsätzen durch hauptberufliche Pflegefachkräfte in Anspruch nehmen oder eine Kombination von Pflegesachleistung und Pflegegeld wählen könne.
Mit Schreiben vom 22. Mai 1995 teilte die Klägerin der AOK S. mit, dass ihre pflegerische Versorgung durch die Gewährung des Pflegegeldes nicht ausreichend gewährleistet sei. Einsätze von Pflegepersonen ambulanter Pflegedienste lehne sie aufgrund schlechter Erfahrungen ab. Sie beantragte unter Verweis auf § 77 des Elften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XI) die Übernahme der Versorgung durch ihre bisherige Pflegeperson Frau S ... Die AOK S. lehnte dies mit Bescheid vom 22. Juni 1995 ab: Häusliche Pflegehilfe werde durch geeignete Pflegekräfte erbracht, die entweder von der Pflegekasse oder bei ambulanten Pflegeeinrichtungen, mit denen die Pflegekasse einen Vertrag abgeschlossen hat, angestellt seien. Da die Pflegerin der Klägerin bei dieser als Privatperson tätig und nicht bei einer Pflegeeinrichtung angestellt sei, könne die Sachleistung nicht gewährt werden. Es könne nur die Zahlung des Pflegegeldes erfolgen, das der Klägerin bereits bewilligt worden sei. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch.
In der Folgezeit erhielt die Klägerin keine Leistungen von der AOK S.; die Beklagte gewährte der Klägerin daher zunächst die bisherigen Leistungen weiter. Am 22. September 1997 teilte die AOK S. der Beklagten telefonisch mit, dass sie bereit sei, für den Zeitraum vom 1. April 1995 bis zum 30. September 1997 ein Vertragsverhältnis gemäß § 77 Abs. 1 SGB XI mit Frau S. zu unterstellen. Für die Zeit ab dem 1. Oktober 1997 bestehe diese Möglichkeit nicht, da Frau S. nicht bereit sei, für ihre Pflegetätigkeit ein selbständiges Gewerbe anzumelden. Die Beklagte machte daraufhin gegenüber der AOK S. einen Erstattungsanspruch für die von ihr im Zeitraum vom 1. April 1995 bis zum 30. September 1997 erbrachten Leistungen der Hilfe zur Pflege in Höhe von insgesamt 46.000,80 DM (monatlich 1.533,36 DM) geltend. Die Klägerin teilte der AOK S. mit, ihr Sohn habe monatlich 279,- DM für die Pflege durch Frau S. verauslagt. Die AOK S. erstattete in der Folgezeit einen Betrag insgesamt 54.000,- DM, davon 46.000,80 DM an die Beklagte und 7.999,20 DM an den Sohn der Klägerin.
Ab Oktober 1997 war Frau S. nicht mehr für die Klägerin tätig. Die AOK S. gewährte der Klägerin für die Zeit ab dem 1. Oktober 1997 Pflegegeld der Stufe 2 in Höhe von zunächst 800,- DM monatlich. Die Beklagte bewilligte der Klägerin für die Zei...