Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütung. Abgrenzung einer vollstationären Krankenhausbehandlung von einer ambulanten Krankenhausbehandlung. Mindestaufenthaltsdauer. Eingliederung des Patienten in die Infrastruktur des Krankenhauses. Notfall. Prüfung durch den MDK. Sechswöchige Ausschlussfrist. Aufklärung des medizinischen Sachverhalts

 

Orientierungssatz

Parallelentscheidung zu dem Urteil des LSG Hamburg vom 1.11.2012 - L 1 KR 106/11, das vollständig dokumentiert ist.

 

Normenkette

SGB V § 39 Abs. 1 S. 1, § 107 Abs. 1, § 275 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 1c S. 2, § 301

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe der Vergütung für eine Krankenhausbehandlung.

Die 1980 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte S.H. wurde am 30. Oktober 2010 um 23.26 Uhr in einer von der Klägerin betriebenen Klinik (A.) als Notfall aufgenommen und am Folgetag um 18.49 Uhr regulär entlassen. In den von der Klägerin an die Beklagte nach § 301 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) übermittelten Daten wurden als Aufnahmediagnose sonstige und nicht näher bezeichnete Bauchschmerzen (ICD R10.4) genannt. Als Entlassungsdiagnose wurde ein Ureterstein (ICD N20.1) sowie als Nebendiagnosen sonstige und nicht näher bezeichnete Bauchschmerzen (ICD R10.4) sowie eine benigne essentielle Hypertonie ohne Angabe einer hypertensiven Krise (ICD I10.00) genannt.

Die Klägerin verlangte von der Beklagten mit Rechnung vom 10. November 2010 einen Betrag in Höhe von EUR 603,74 für eine vollstationäre Behandlung der Versicherten. Die Beklagte verweigerte die Begleichung der Rechnung mit der Begründung, es habe keine vollstationäre, sondern lediglich eine ambulante Behandlung vorgelegen, da die Versicherte nicht mindestens einen Tag und eine Nacht im Krankenhaus verweilt habe. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) wurde nicht eingeschaltet.

Die Klägerin hat am 11. Februar 2011 Klage auf Zahlung des Rechnungsbetrages zuzüglich eines weiteren Betrages in Höhe von EUR 8,50 für das durchgeführte Verwaltungsverfahren zum Einzug der Eigenbeteiligung nebst Zinsen erhoben. Sie trägt vor, das Bundessozialgericht (BSG) habe zwar ausgeführt, dass eine stationäre Behandlung vorliege, wenn der Patient vor oder nach dem Eingriff eine Nacht im Krankenhaus verbringe, von einer starren Mindestfrist von 24 Stunden sei indes keine Rede gewesen. Im Übrigen sei mittlerweile die Ausschlussfrist des § 275 Abs. 1c SGB V abgelaufen, sodass die Beklagte keine Einwendungen mehr vorbringen könne, die einer Überprüfung durch den MDK zugänglich wären.

Die Beklagte hat demgegenüber die Auffassung vertreten, eine Abgrenzung zwischen stationärer und ambulanter Behandlung könne nur anhand der tatsächlichen Aufenthaltsdauer des Versicherten erfolgen. Dementsprechend habe das BSG festgestellt, dass der Patient bei der vollstationären Versorgung zeitlich ununterbrochen, also Tag und Nacht, im Krankenhaus untergebracht sein müsse. Dies könne bei herkömmlicher Betrachtungsweise nur so verstanden werden, dass eine Aufenthaltsdauer von mindestens 24 Stunden erforderlich sei. Da somit keine vollstationäre Krankenhausbehandlung vorliege und im Übrigen nur eine Rechtsfrage streitig sei, entfalle die Pflicht zur Prüfung durch den MDK nach § 275 Abs. 1c SGB V.

Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 25. Juli 2011 - dem Bevollmächtigten der Beklagten zugestellt am 1. August 2011 - stattgegeben. Es hat ausgeführt, die Prüfung, ob eine ambulante oder stationäre Behandlung stattgefunden habe, sei eine Rechtsfrage und daher nicht durch § 275 Abs. 1c SGB V ausgeschlossen, dessen Präklusionswirkung lediglich die Sachverhaltsermittlung betreffe. Die Beklagte könne sich aber nicht mit Erfolg darauf berufen, dass eine stationäre Behandlung schon deshalb nicht stattgefunden habe, weil sich die Versicherte nicht mindestens 24 Stunden im Krankenhaus aufgehalten habe. Maßgeblich sei vielmehr allein, ob die für eine Krankenhausbehandlung typische intensive ärztliche Betreuung oder die Pflege mit jederzeit verfügbarem Pflegepersonal in Anspruch genommen worden sei, was hier der Fall gewesen sei. Die Versicherte habe nämlich bei ihrem Eintreffen unter kolikartigen Schmerzen gelitten, deren Ursache aufzuklären und falls möglich zu beseitigen gewesen sei. Dies habe eine fortdauernde symptombezogene Behandlung erfordert, die auch durch den Verlaufsbericht dokumentiert worden sei. Im Übrigen greife bei der Prüfung der Erforderlichkeit der stationären Behandlung die Ausschlusswirkung des § 275 Abs. 1 c SGB V zugunsten der Klägerin ein.

Die Beklagte hat dagegen am 31. August 2011 die vom Sozialgericht zugelassene Berufung eingelegt und trägt vor, die vom Sozialgericht herangezogenen Abgrenzungskriterien seien nicht überzeugend. So habe das BSG bereits entschieden, dass eine vollstationäre Krankenhausbehandlung vorliege, wenn der Versicherte mindestens einen Tag und eine ...

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