Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsätzlicher Ausschluss einer Bewilligung von Leistungen für die Unterkunft bei Nutzung eigenen Wohneigentums

 

Orientierungssatz

1. Die Leistungen des SGB 2 sind auf die aktuelle Existenzsicherung beschränkt. Sie sollen nicht der Vermögensbildung dienen. Deshalb kommt bei der Nutzung eigenen Wohneigentums durch den Hilfebedürftigen die Übernahme von Tilgungsanteilen durch den Grundsicherungsträger nach § 22 SGB 2 nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht, nämlich dann, wenn es um die Erhaltung von Wohneigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitgehend abgeschlossen ist (BSG Urteil vom 18. 6. 2008, B 14/11b AS 67/06 R).

2. Von dem Grundsatz des Verbots der Vermögensbildung durch Grundsicherung ist infolgedessen nur in eng gefassten Ausnahmefällen abzusehen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 24.10.2017; Aktenzeichen B 14 AS 90/17 B)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Form der Übernahme von Tilgungsraten für ein Hausdarlehen für die Monate November 2013 bis zum 13. Mai 2014.

Die im Jahr 1969 geborene Klägerin erwarb im April 2008 eine eigene Wohnung mit einer Größe von 48,93 qm zum Kaufpreis von 71.400 Euro und nahm hierfür ein Darlehen bei der I. Bank ebenfalls in der Höhe von 71.400 Euro auf. Am 30. Mai 2014 bestand eine Restschuld von 47.825,31 Euro bzw. am 30. Mai 2016 in Höhe von 43.879,32 Euro; die monatliche Kreditrate beträgt 354,03 Euro bei einem Tilgungsanteil von ca. 150 Euro.

Am 15. Juli 2013 beantragte die Klägerin Leistungen nach dem SGB II und gab hinsichtlich der Kosten der Unterkunft und Heizung u.a. die Zins- und Tilgungsraten für das zur Wohnungsfinanzierung aufgenommene Darlehen an.

Mit Bescheid vom 19. Juli 2013 bewilligte der Beklagte vorläufig und mit Bescheid vom 2. Oktober 2013 endgültig Leistungen für den Zeitraum vom 1. Juli 2012 bis zum 31. Dezember 2013. Die Übernahme von Tilgungsraten wurde im Rahmen dieses Bewilligungsbescheids nicht berücksichtigt. Dagegen wendete sich die Klägerin mit Schreiben vom 30. November 2013.

Am 20. Dezember 2013 stellte die Klägerin einen Weiterbewilligungsantrag für Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 17. Januar 2014 bewilligte der Beklagte Leistungen für den Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 30. Juni 2014. Im Rahmen dieser Bewilligung wurden ebenfalls keine Tilgungsraten berücksichtigt. Mit einem weiteren Bescheid vom 17. Januar 2014 lehnte der Beklagte die Berücksichtigung des Tilgungsanteils ausdrücklich ab. Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 24. Februar 2014 Widerspruch ein.

Ab dem 14. Mai 2014 erhielt die Klägerin Übergangsgeld von der Deutschen Rentenversicherung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2014, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugegangen am 5. November 2014, wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Er berief sich auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 22. August 2012 (Az. B 14 AS 1/12 R), wonach die monatlichen Tilgungsraten für eine Immobilie nicht zu den berücksichtigungsfähigen Kosten der Unterkunft und Heizung gehörten. Ausnahmen bestünden nur in besonderen Ausnahmefällen, wenn es mit Verweis auf den ausgeprägten Schutz des Grundbedürfnisses Wohnen um die Erhaltung einer Wohnung gehe, deren Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitestgehend abgeschlossen sei. Dies sei hier jedoch nicht der Fall.

Hiergegen hat die Klägerin am 4. Dezember 2014 Klage erhoben. Die Klägerin begründet ihre Klage im Wesentlichen damit, dass die Erhaltung des Wohnraums Vorrang genießen müsse gegenüber dem Grundsatz, dass SGB II-Leistungen nicht dem Vermögensaufbau des Hilfebedürftigen dienen sollten, insbesondere auch vor dem Hintergrund der Gleichstellung von Mietern und Wohnungseigentümern. Soweit der Aufwand für Schulden und Tilgung die Angemessenheitsgrenze des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II nicht überschreite, habe bei drohendem Wohnungsverlust der Gesichtspunkt der Vermögensbildung zurückzutreten. Hierbei hat die Klägerin im Wesentlichen auf ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 3. Dezember 2015 (Az. 4 AS 49/14 R) verwiesen, bei dem das Bundessozialgericht die Tilgungsraten zugesprochen habe.

Mit Urteil vom 10. Juni 2016 hat das Sozialgericht Hamburg die Klage abgewiesen. Gemäß § 22 Abs 1 SGB II würden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen seien. Die Angemessenheit sei zwar für Mieter und Hauseigentümer nach einheitlichen Kriterien zu beantworten. Die Leistungen nach dem SGB II seien aber auf die aktuelle Existenzsicherung beschränkt und sollten nicht der Vermögensbildung dienen (BSG, Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R). Der Gesetzgeber räume dem Erhalt der Wohnung allgemein einen hohen Stellenwert ...

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