Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsvereinbarung. Zusage der Weitergewährung von Arbeitslosengeld II während des Studiums bis zu 3 Jahren. Bindungswirkung trotz Ablauf des Geltungszeitraums der Eingliederungsvereinbarung. Leistungsausschluss für Studenten. keine Begrenzung auf Unterkunftskostenzuschuss des § 22 Abs 7 SGB 2
Leitsatz (amtlich)
1. Eine wirksam zustande gekommene Eingliederungsvereinbarung (EGV) bindet den Leistungsträger an die dort enthaltenen Leistungszusagen.
2. Die in der EGV enthaltene Zusage von SGB 2-Leistungen für die Dauer einer Ausbildung ist nicht nichtig (Einzelfall).
3. Zur Möglichkeit der Kündigung einer EGV.
Orientierungssatz
Der Bindungswirkung der Eingliederungsvereinbarung steht der Ablauf des sechsmonatigen Geltungszeitraums nicht entgegen.
Normenkette
SGB II §§ 15, 22 Abs. 7, § 7 Abs. 5-6, § 27; SGB X § 58 Abs. 1-2, § 59; BGB § 134
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 12. Juli 2010 aufgehoben. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 12. November 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2009 verurteilt, dem Kläger die nicht anderweitig gedeckten Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1. November 2008 bis zum 31. Juli 2010 zu erstatten.
Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in der Zeit vom 1. November 2008 bis zum 31. Juli 2010.
Der 1975 geborene Kläger hat nach eigenen Angaben nach der Mittleren Reife eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann absolviert. Danach nahm er zum Sommersemester 2002 ein Studium an der damaligen Hochschule für Wirtschaft und Politik auf, das er nach diesem Semester - wie er mitteilt, aus gesundheitlichen Gründen - abbrach. In der Folgezeit bezog er zunächst Sozialhilfe und ab 2005 Arbeitslosengeld II (Alg II).
In Absprache mit dem Beklagten nahm er das Studium zum Sommersemester 2008 wieder auf (nunmehr an der Universität H. als Nachfolgerin der Hochschule für Wirtschaft und Politik) und schloss mit dem Beklagten am 10. April 2008 eine Eingliederungsvereinbarung (i.F.: EGV) “gültig bis zum 10.10.2008 soweit zwischenzeitlich nicht anders vereinbart„, in der es wörtlich heißt:
“ 1.Leistungen Jobcenter R.
Für die Dauer des geplanten Studiums von bis zu 3 Jahren wird Arbeitslosengeld II als Unterstützung zur beruflichen Integration im bisherigen Umfang weiter gezahlt. Sollte sich herausstellen, dass das Studium aus gesundheitlichen Gründen nicht wie geplant fortgesetzt werden kann, wird ein Rehaverfahren eingeleitet. Kommt der zuständige Träger seinen in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten nicht nach, ist ihm innerhalb einer Frist von 4 Wochen das Recht der Nacherfüllung einzuräumen. Ist eine Nachbesserung tatsächlich nicht möglich, muss er folgende Ersatzmaßnahme anbieten: /.„
In Punkte 2 der EGV verpflichtete sich der Kläger im Rahmen der “Aus-/Weiterbildung/Anpassung„ zum “Nachholen des Studienabschlusses„ sowie zur sofortigen Mitteilung für den Fall, dass das Studium aus gesundheitlichen Gründen nicht fortgesetzt werden könne. Weiterhin enthielt die EGV eine allgemeine Verpflichtung zur Mitteilung von Änderungen, allgemeine Bestimmung betreffend den Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereiches sowie eine formularmäßige Rechtsfolgenbelehrung.
Nachdem sich der Kläger (mit Schreiben vom 21.4.2008) wegen der Übernahme des Semesterbeitrags an den Beklagten gewandt hatte, antwortete dieser mit Schreiben vom 24. April 2008, die in der EGV zugesagte Unterstützung für die gesamte Dauer des Studiums könne er nicht aufrechterhalten. Bei Aufnahme eines Studiums entfalle der Alg II-Anspruch, lediglich “im Härtefall„ könnten auf Antragstellung “Kosten für Miete und Unterkunft„ gewährt werden. Falls der Kläger sein Studium “nach der Probezeit„ fortführe, werde Alg II noch längstens bis zum Ende des laufenden Bewilligungszeitraums (31.8.2008) geleistet. Weiterhin empfahl der Beklagte, einen Antrag auf Rehabilitationsleistungen beim zuständigen Rentenversicherungsträger zu stellen, wies jedoch zugleich darauf hin, dass ein Studium nicht unter den Begriff der beruflichen Rehabilitation falle.
Der Kläger erklärte daraufhin am 28. April 2008 seinen “Widerspruch„ hiergegen: Die Wiederaufnahme des Studiums stelle derzeit die einzige erfolgsversprechende Eingliederungsmöglichkeit dar. Im Ergebnis könne es nicht angehen, dass der Beklagte nur dann weiter leiste, wenn er, der Kläger, tatenlos zu Hause sitze.
Nachdem der Beklagte zunächst aufgrund eines Bescheides vom 18. September 2008 einen Zuschuss zu den ungedeckten Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 296.- Euro monatlich für die Zeit vom 1. Mai 2008 bis zum 31. Oktober 2008 geleistet hatte, lehnte er den am 6....