Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Ersatzanspruch wegen sozialwidrigen Verhaltens. schuldhafte Herbeiführung der Hilfebedürftigkeit. Sozialwidrigkeit. Taxifahrer. Verlust der Fahrerlaubnis wegen Drogenkonsum
Orientierungssatz
Zum Ersatz gezahlter Leistungen der Grundsicherung ist nach § 34 Abs 1 S 1 SGB 2 verpflichtet, wer als Erwachsener vorsätzlich oder grob fahrlässig die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen des SGB 2 an sich oder Personen, die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat. Voraussetzung der Ersatzpflicht ist die Sozialwidrigkeit des zum Leistungsbezug führenden Verhaltens. Daran fehlt es, wenn der Hilfebedürftige es mit seinem Fehlverhalten nicht auf einen Leistungsbezug anlegte, sondern sich mit dem Einfluss von Drogen, der zum Verlust der Fahrerlaubnis als Taxifahrer führte, die Steigerung seiner Arbeitsenergie versprach, um den Lebensunterhalt trotz depressiver Stimmungseintrübung weiter zu sichern.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen Erstattungsforderungen des Beklagten infolge der Erbringung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) wegen des Vorwurfs sozialwidrigen Verhaltens.
Der Kläger war im Januar 2017 als selbstständiger Taxifahrer tätig. Am 8. Januar 2017 führte der Kläger ein Taxi, obwohl er infolge des Konsums von Betäubungsmitteln fahruntüchtig war. Der Führerschein des Klägers wurde sichergestellt. Eine Blutprobe gab Hinweise auf den Konsum von Kokain und Opiaten. Mit Beschluss vom 16. Januar 2017 wurde die Fahrerlaubnis des Klägers vorläufig entzogen. Ebenfalls wurde im Januar 2017 ein Verfahren zum Widerruf der Genehmigung zum Betrieb eines Taxiunternehmens eingeleitet.
Im Februar 2017 stellte der Kläger einen Antrag bei dem Beklagten auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Dem Kläger und seiner Ehefrau gewährte der Beklagte ab Februar 2017 Leistungen nach dem SGB II.
Mit Strafbefehl vom 18. April 2017 wurden die Fahrerlaubnis des Klägers entzogen, der Führerschein eingezogen und der Kläger zu einer Geldstrafe verurteilt und ihm die Verfahrenskosten auferlegt.
Mit Bescheid vom 20. Oktober 2017 stellte der Beklagte fest, dass der Kläger zum Ersatz der ihm und der mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen gewährten Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes gewährten Leistungen verpflichtet sei, da er die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II zumindest grob fahrlässig herbeigeführt habe, indem er unter Einfluss von Betäubungsmitteln Taxi gefahren sei und dadurch die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt habe. Er habe dabei erkennen können, dass dadurch Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes erbracht werden müssten.
Der Kläger hat gegen den Bescheid vom 20. Oktober 2017 Widerspruch erhoben. In der Widerspruchsbegründung macht er geltend, dass seine seelische, psychische und gesundheitliche Verfassung sowie seine persönlichen Probleme, die er im Zeitraum vor Antragstellung beim Beklagten gehabt habe, unberücksichtigt geblieben seien.
Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2018 zurück. Der Kläger habe sich objektiv sozialwidrig verhalten, indem er ein aus Sicht der Solidargemeinschaft der Steuerzahler zu missbilligendes Verhalten an den Tag gelegt habe, das eine Leistungspflicht nach dem SGB II ausgelöst habe. Die strafbare Handlung habe einen unmittelbaren Bezug zu seiner Tätigkeit als Taxifahrer gehabt. Der Kläger hätte als Taxifahrer damit rechnen müssen, nach dem Betäubungsmittelkonsum fahruntüchtig zu sein und deshalb den Führerschein zu verlieren und dadurch bedürftig zu werden.
Mit Bescheid vom 24. Oktober 2018 stellte der Beklagte erneut fest, dass der Kläger zum Ersatz der ihm und den mit ihm in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen verpflichtet ist und stellte weiter fest, dass diese Ersatzpflicht die dem Kläger und seiner Ehefrau gewährten Leistungen für die Zeit vom 1. April 2017 bis zum 30. September 2017 betreffe und der Gesamtbetrag der Rückforderung 8.449,56 Euro betrage.
Der Kläger hat am 1. November 2018 vor dem Sozialgericht Hamburg Klage erhoben und geltend gemacht, dass er unter erheblichen physischen, psychischen und seelischen Leiden zum Zeitpunkt der Fahrt unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln gelitten habe. Er hat im Verfahren ärztliche Bescheinigungen über seine gesundheitlichen Leiden im Jahr 2017 eingereicht.
Das Sozialgericht hat der Klage - nach Anhörung des Klägers in einem Erörterungstermin - durch Gerichtsbescheid vom 30. September 2020 stattgegeben und die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Gemäß § 34 SGB II sei ein Leistungsberechtigter, der nach Vollendung des 18. Lebensjahres vorsätzlich oder grob fahrlässig die Voraussetzungen für di...