Entscheidungsstichwort (Thema)

Arzneimittelregress wegen unwirtschaftlicher Verordnung eines Medikaments. Arzneimittel Fosteo. Osteoporose. Off-Label-Use. Umfang der Zulassung. Maximale Anwendungsdauer. Kontrollierte klinische Prüfung. Grundrechtsorientierte Leistungserweiterung. Lebensbedrohliche Erkrankung. Behandlungsalternativen. Vorverfahren. Verpflichtungsklage

 

Orientierungssatz

1. Hat ein Arzneimittel die arzneimittelrechtliche Prüfung durchlaufen und ist ihm dementsprechend die Zulassung erteilt worden, so ist es lediglich in diesem Umfang i. S. des SGB 5 verordnungsfähig. Der Umfang seiner Zulassung ergibt sich aus den Aufgaben in der sog. Roten Liste, aus den Angaben in den jeweiligen Fachinformationen, aus der Gebrauchsanweisung und den Herstellerangaben.

2. Hierzu zählen auch die Hinweise zur maximalen Dauer der Anwendung in den Fachinformationen. Eine zulassungsüberschreitende Anwendung liegt danach auch dann vor, wenn bei einer Langzeit-Anwendungsdauer die vorgegebene zulässige Gesamtdauer überschritten wird.

3. Wird die zulässige Anwendungsdauer überschritten, so setzt eine Verordnungsfähigkeit unter dem Gesichtspunkt des off label use das vorliegen einer kontrollierten klinischen Studie der Phase III, oder ähnlich gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse voraus.

 

Normenkette

SGB V § 2 Abs. 1a, § 106 Abs. 5 S. 8

 

Tenor

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit ist ein Arzneimittelregress in Höhe von 1.618,10 EUR wegen unwirtschaftlicher Verordnung des Medikaments Forsteo im Quartal I/2008.

Bei dem Arzneimittel Forsteo mit dem Wirkstoff Teriparatid handelt es sich um ein hormonell wirkendes Medikament zur Behandlung besonderer Erscheinungsformen der Osteoporose, das die Knochenneubildung stimuliert, das erstmals am 10. Juni 2003 zugelassen wurde und dessen Zulassungsumfang sich seither mehrfach geändert hat:

- Seit August 2007 wurde das Anwendungsgebiet, das sich bis dahin auf die Behandlung der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen mit einem hohen Frakturrisiko beschränkt hatte, auch auf Männer mit einem hohen Frakturrisiko erweitert. Zur Art und Dauer der Anwendung hieß es in Abschnitt 4.2 Abs. 3 der damaligen Fachinformation: Die maximale Therapie-Dauer mit Forsteo beträgt 18 Monate (siehe Abschnitt 4.4). In Abschnitt 4.4 wurde ausgeführt, dass sich bei Studien in Ratten eine erhöhte Inzidenz von Osteosarkomen bei Langzeit-Anwendung von Teriparatid gezeigt habe. Bis zum Vorliegen weiterer Daten dürfe die empfohlene Behandlungsdauer von 18 Monaten nicht überschritten werden. - Im April 2008 wurde der Abschnitt 4.2 Abs. 3 um einen zweiten Satz erweitert, der wie folgt lautete: Diese 18-monatige Therapie sollte im Laufe des Lebens beim gleichen Patienten nicht wiederholt werden. - Im Jahr 2009 wurde die maximale Therapiedauer auf 24 Monate angehoben, was wesentlich auf eine 2009 veröffentlichte Studie zurückging.

Aufgrund eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 21. November 2006 wurde folgender Therapiehinweis zu Teriparatid in die Anlage 4 zur aufgrund von § 92 Abs. 1 Nr. 6 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) erlassenen Arzneimittel-Richtlinie (AMRL) aufgenommen (BAnz. 2007, Nr. 58 (S. 3121), veröffentlicht auch in DtschÄrztebl 2007, 104 (15)):

Empfehlungen zur wirtschaftlichen Verordnungsweise Teriparatid ist zur Behandlung der manifesten Osteoporose bei postmenopausalen Frauen nur ein Mittel der zweiten Wahl. Die Verordnung bleibt lediglich definierten Ausnahmefällen vorbehalten. Hinsichtlich der Frakturrate hat Teriparatid gegenüber anderen Osteoporosemitteln, insbesondere Bisphosphonaten, keine nachgewiesene Überlegenheit ... Teriparatid ist wegen der im Vergleich zu Bisphosphonaten bis zu 35-fach höheren Tagestherapiekosten in der Regel unwirtschaftlich. Unter folgenden kumulativen Bedingungen ist eine Verordnung von Teriparatid möglich: - nur bei manifester Osteoporose mit mindestens 2 neuen Frakturen in den letzten 18 Monaten und - kein ausreichendes Ansprechen auf eine direkte und adäquate Vorbehandlung über mindestens ein Jahr oder - nach Absetzen der Bisphosphonatbehandlung aufgrund von Unverträglichkeiten ...

Der Kläger ist Facharzt für Orthopädie/Rheumatologie und nimmt in H. an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Im streitgegenständlichen Quartal verordnete er seinem am xxx1947 geborenen, damals bei der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1 krankenversicherten Patienten C.K. einmal 3ml Forsteo Injektionslösung. Die Verordnung, die auch eingelöst wurde, hatte abzüglich des Apotheken- wie des Herstellerrabattes - der Patient war von der Zuzahlung befreit - einen Nettowert von 1.618,10 EUR. Für den Patienten waren folgende Diagnosen gestellt worden: Osteoporose mit pathologischer Fraktur; Fraktur des Unterschenkels, einschließlich des oberen Sprunggelenks. Auf die im Prüfverfahren vorgelegten Diagnose- und Verordnungsblätter sowie die Verordnungsliste wir...

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