Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen Berufsunfähigkeit. Berufsschutz als Facharbeiter bei Eingruppierung in die entsprechende Lohngruppe des Tarifvertrages. Kraftwagenführer im Straßenpostdienst
Leitsatz (amtlich)
Nach dem Tarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundespost genießt ein Kaftwagenführer im Straßenpostdienst den Berufsschutz eines Facharbeiters. Bei einer Tätigkeit, deren Einstiegslohngruppe die Lohngruppe 5 dieses Tarifvertrages ist, liegt eine Eingruppierung in eine Facharbeiterlohngruppe vor. Qualitätsfremde Gesichtspunkte – wie z.B. das Merkmal des sog. “Beamtendiensttuers” – für diese Bewertung sind nicht ersichtlich.
Normenkette
SGB VI § 43 Abs. 1, 2 S. 2
Verfahrensgang
SG Hamburg (Urteil vom 10.09.2001) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit. Der bei der Beklagten unter dem Geburtsdatum März 1945 geführte Kläger mit türkischer Staatsangehörigkeit war in seinem Berufsleben zuletzt von 1970 bis 1996 als Postarbeiter tätig. In den letzten Jahren dieser Tätigkeit arbeitete er als LKW-Fahrer. Zunächst führte er Flurförderfahrzeuge und E-Schlepper, ab 13. Mai 1992 bis zum Ende seiner Tätigkeit (30. April 1996) war er Kraftwagenführer im Straßenpostdienst. Seine letzte Entlohnung bei der Deutschen Post AG erfolgte nach der Lohngruppe 7a des dortigen Tarifvertrags.
Den am 25. März 1996 gestellten Antrag u. a. auf Rente wegen Berufsunfähigkeit lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29. November 1996 ab, nachdem die Neurologin/Psychiaterin Dr. A… im Gutachten vom 26. Juni 1996 den Kläger trotz eines depressiven Versagungszustandes ohne vitalen Tiefgang sowie eines Bluthochdrucks noch für in der Lage erachtet hatte, leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten – mit Ausnahme des Führens eines Kraftfahrzeuges wegen der vorliegenden Verlangsamung – ohne Zeitdruck vollschichtig zu verrichten. Zwar seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die beantragte Rente gegeben, aber es liege u. a. keine Berufsunfähigkeit vor. Den dagegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 1. Dezember 1997 zurück, nachdem sowohl der Nervenarzt Dr. K… als auch der Internist Dr. F… in ihren Gutachten vom September 1997 die Auffassung vertreten hatten, der Kläger könne noch leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne Zeitdruck und Schicht- bzw. Nachtdienst vollschichtig verrichten.
Im Klageverfahren hat der Internist Dr. W… im Gutachten vom 4. November 1998 ausgeführt, dass beim Kläger eine Zuckerkrankheit sowie ein Bluthochdruck vorlägen. Er sei noch in der Lage, leichte bis mittelschwere Arbeiten durchschnittlicher geistiger Art und Verantwortung, nicht aber unter erhöhtem Zeitdruck, bei Nacht und erhöhter Lärmbelastung vollschichtig zu verrichten. Im Gutachten vom 2. Juli 1999 hat der Neurologe/Psychiater Dr. L… eine depressive Verstimmung sowie eine diskrete Polyneuropathie mit daraus resultierender psychophysischer Minderbelastbarkeit festgestellt. Es bestehe sicherlich Arbeitsunfähigkeit für die letzte Tätigkeit als Lkw-Fahrer. Der Kläger könne leichte Tätigkeiten einfacher geistiger Art ohne erhöhten Anforderungsdruck, möglichst in wechselnder Körperhaltung, ohne schweres Heben, Tragen, Bücken, ohne Zwanghaltungen und Überkopfarbeiten und mit der Möglichkeit, die Körperhaltung selbst kurz frei gewählt zu wechseln, ohne Zeitdruck, Akkord- oder Nachtarbeitsbedingungen, unter Witterungsschutz, nur zu ebener Erde, nicht auf Leitern oder Gerüsten vollschichtig verrichten. Wegefähigkeit liege vor und Hemmungen gegenüber einer Arbeitsleistung könnten überwunden werden. Der Internist Dr. Sch… ist im Gutachten vom 4. Juli 2001 zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger wegen eines Diabetes mellitus, eines Bluthochdrucks, eines Zustands nach Pankreatitis sowie eines Zustands nach Gastro- und Duodenitis nur noch in der Lage sei, leichte Tätigkeiten unter Witterungsschutz, frei von Exposition mit Rauchen, Dämpfen und Gasen, ohne besondere Stressoren wie Schichtdienst, ohne Anforderung an das volle Hörvermögen, mit der Möglichkeit einer Zwischenmahlzeit zwischen Frühstück und Mittag vollschichtig zu verrichten. In der mündlichen Verhandlung vom 10. September 2001 hat das Sozialgericht nicht nur Dr. Sch… zur Erläuterung seines Gutachtens gehört, sondern auch den berufskundigen Sachverständigen M… vernommen. Dieser hat ausgeführt, es gebe für den Kläger aufgrund seiner Leistungseinschränkungen nur Verweisungstätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Das Sozialgericht hat daraufhin die Beklagte mit Urteil vom 10. September 2001 zur Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit verurteilt. Der Kläger genieße Facharbeiterschutz und könne nicht mehr auf eine zumutbare Tätigkeit verwiesen werden.
Gegen die erstinstanzliche Entscheidung hat die Beklagte Berufung eingelegt. Das Sozialgericht sei unzutreffend von einem Berufsschutz als Facharbeiter für den Kläger ausgegangen. Tatsächlich habe die frühere berufliche Tätigkeit des Klägers nicht...