Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragserstattung. Heiratserstattung. Urkundenbeweis einer Versicherungskarte. Vormerkung von Beitragszeiten
Leitsatz (amtlich)
1. Der Nachweis einer Beitragserstattung kann im Wege des Urkundenbeweises durch Vorlage der Versicherungskarten geführt werden.
2. Steht allein die Vormerkung von Beitragszeiten im Streit, kommt es auf die Frage, ob der Versicherte den Erstattungsbetrag tatsächlich erhalten hat, nicht an (Abgrenzung zu BSG vom 14.3.1975 - 1 RA 173/74 = SozR 2200 § 1309a Nr 1 und BSG vom 24.10.1975 - 5 RJ 70/75 = BSGE 40, 288 = SozR 2200 § 1423 Nr 7).
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 21. September 2006 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Im Streit steht die Vormerkung einer Beitragszeit vom 29. April 1953 bis 19. Mai 1960.
Die am ... 1938 geborene Klägerin war vom 29. April 1953 bis 1. September 1956 bei der W. O. und Sohn KG in K., vom 12. September 1956 bis 31. Dezember 1958 bei der D. GmbH in K1., vom 9. Januar 1959 bis 31. Oktober 1959 beim Amt für Verteidigungslasten K2. und vom 3. November 1959 bis 19. Mai 1960 bei der Firma G. V. und Söhne in K1. versicherungspflichtig beschäftigt.
Am ... 1959 heiratete sie den seinerzeit in Deutschland stationierten britischen Soldaten R. S., welcher im Juni 1960 nach G. versetzt wurde. Im März 1961 bezogen beide in G. eine gemeinsame Wohnung. Seither lebt die Klägerin als Hausfrau in G., wo sie vier Kinder geboren und erzogen hat.
Nachdem die Klägerin im Januar 2003 Kontenklärung beantragt hatte, holte die Beklagte einen britischen Versicherungsverlauf ein und zog die für die Klägerin ausgestellten Versicherungskarten der Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinprovinz im Original bei. Auf den drei Versicherungskarten findet sich jeweils der Stempelaufdruck „Beiträge erstattet nach § 1304 RVO” mit handschriftlicher Angabe des Aktenzeichens „ 39/...../..”; die zuletzt ausgestellte Versicherungskarte Nr. 3 enthält zudem die - jeweils mit einer Unterschrift versehenen - Stempelaufdrucke „Angewiesen 28. Apr. 1961 (Namenszeichen)” sowie „Folgekarte nicht ausgestellt. Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz Versicherungsabteilung (Ausland) 24.4.1961 (Unterschrift)”.
Mit Bescheid vom 12. März 2004 stellte die Beklagte die nach § 149 Abs. 5 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI im Konto der Klägerin zu speichernden Versicherungszeiten fest. Wegen der Nichtberücksichtigung ihrer Beschäftigungszeiten vom 29. April 1953 bis 19. Mai 1960 erhob die Klägerin Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 2004 zurückwies. Nach Mitteilung der LVA Rheinprovinz sei für die strittige Zeit eine Beitragserstattung (sog. ‚Heiratserstattung’) durchgeführt worden. Dies habe zur Folge, dass Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nicht mehr entstehen könnten.
Hiergegen hat die Klägerin am 2. November 2004 beim Sozialgericht (SG) Klage erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, sie habe sich die Beiträge nicht auszahlen lassen, insbesondere nie einen Antrag auf Auszahlung ihrer Rentenansprüche gestellt und ihres Wissens auch kein Geld erhalten.
Auf Anfrage des Sozialgerichts hat die LVA Rheinprovinz mitgeteilt, dass über die Details der Beitragserstattung keine Unterlagen mehr vorlägen. An dem Aktenzeichen 39 könne man erkennen, dass die Beiträge gemäß § 1304 Reichsversicherungsordnung (RVO) im Rahmen der Heiratserstattung erstattet worden seien.
Das Sozialgericht hat der Klage durch Urteil vom 21. September 2006 stattgegeben. Zur Begründung hat es unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ausgeführt, die Beklagte habe nicht den ihr obliegenden Nachweis der Auszahlung der Beitragserstattung erbracht. Zwar sei es durchaus denkbar, dass sich die Klägerin 1961 möglicherweise Beträge habe erstatten lassen, doch lasse sich aufgrund fehlender Informationen - namentlich wegen nicht mehr vorliegender Zahlungslisten - insbesondere nicht mehr feststellen, ob eine Auszahlung des Erstattungsbetrages erfolgt sei.
Hiergegen hat die Beklagte fristgerecht Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, sie sehe es als erwiesen an, dass ein Beitragserstattungsverfahren stattgefunden habe und die Beitragserstattung an die Klägerin gezahlt worden sei. Diese Tatsachenvermutung ergebe sich aus einem Sachverhalt heraus, der nach der Lebenserfahrung regelmäßig auf einen bestimmten Verlauf hinweise und es rechtfertige, besondere Umstände der Einzelfalls in ihrer Bedeutung zurücktreten zu lassen. Es sei auf die Grundsätze des Beweises des ersten Anscheins zu verweisen. Auf den drei Versicherungskarten seien die Vermerke ‚Erstattung nach § 1304 RVO’ und ‚Versicherungsabteilung Ausland, 24.4.1961’ enthalten. Die Auszahlung sei zeitnah in dem Jahr erfolgt, in dem die Klägerin zu arbeiten aufgehört habe. Es sei davon auszug...