Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachweis der Wirksamkeit eines Mietvertrags des Hilfebedürftigen als Voraussetzung der Bewilligung von Leistungen der Unterkunft und Heizung durch den Grundsicherungsträger

 

Orientierungssatz

1. Nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB 2 werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Voraussetzung einer Leistungspflicht des Grundsicherungsträgers ist, dass der Hilfebedürftige im jeweiligen Leistungszeitraum einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt ist (BSG Urteil vom 3. 3. 2009, B 4 AS 37/08 R).

2. Erweist sich der zwischen dem Hilfebedürftigen und dessen Eltern geschlossene Mietvertrag als gefälscht und sind die Erklärungen der Eltern hierzu als Schutz- bzw. Gefälligkeitsbehauptungen zu werten, so sind Leistungen für Unterkunft und Heizung vom Grundsicherungsträger nicht zu bewilligen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 03.08.2022; Aktenzeichen B 7/14 AS 253/21 B)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Übernahme der Kosten der Unterkunft in Höhe von 470,-- monatlich für die Zeit vom 1. April 2018 bis zum 30. September 2018 nach den Vorschriften des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der Kläger steht im fortlaufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Im Rahmen eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes begehrte der Kläger für die Zeit ab Oktober 2017 Leistungen einschließlich der Kosten der Unterkunft. Er bewohne in einem seinen Eltern gehörenden Haus, I. in H., eine Wohnung und es sei eine Miete über 470,-- monatlich vereinbart worden. Das Sozialgericht führte in diesem Eilverfahren (S 35 AS 3400/17 ER) am 30. November 2017 einen Erörterungstermin durch und hörte den Kläger sowie dessen Vater an. Der Vater des Klägers gab u.a. an, dass zwar eine Miete von 470,-- Euro vereinbart sei, er bisher aber keine Gelder vom Kläger erhalten habe, selbst in den Zeiten nicht, in denen dieser Leistungen für die Unterkunft vom Beklagten erhalten habe. Es gehe ihm wirtschaftlich gut, er sei auf die Miete nicht angewiesen und überlasse es dem Kläger, wie es weitergehen solle. Das Sozialgericht lehnte die Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme der Kosten der Unterkunft daraufhin mit Beschluss vom 1. Dezember 2017 ab.

Bereits zuvor, in einem Eilverfahren vor dem Sozialgericht im Jahr 2015 (S 35 AS 3773/15 ER), war zu Tage getreten, dass der Kläger mit einem Mietvertrag, der als Vermieter einen Herrn H1 auswies, eine Mietzinsverpflichtung glaubhaft machen wollte. In diesem Eilverfahren zeigte sich dann, dass der angebliche Vermieter Herr H1 nicht existierte und der Mietvertrag vom Kläger hergestellt worden war für die Zwecke des Leistungserhalts. Das Strafverfahren endete mit einer Verurteilung des Klägers wegen Urkundenfälschung in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 8,-- Euro (Landgericht Hamburg, Urteil vom 27.6.2019 - 701 Ns 5/18).

Im Rahmen der Weiterbewilligung bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 23. April 2018 dem Kläger für die Zeit vom 1. April 2018 bis zum 30. September 2018 den Regelsatz nach dem SGB II abzüglich einer Sanktion. Kosten der Unterkunft wurden nicht bewilligt. Den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. September 2018 zurück. Es liege kein wirksamer Mietvertrag vor. Der Kläger habe selbst die vom Beklagten früher geleisteten Mietzahlungen nicht weitergeleitet. Hier liege ein Scheingeschäft vor.

Der Kläger hat 14. September 2018 Klage erhoben und geltend gemacht, dass ein mündlicher, wirksamer Mietvertrag vorliege.

Mit Gerichtsbescheid vom 23. Juni 2020 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Ein Anspruch nach § 22 SGB II setze einen wirksamen Mietvertrag voraus; daran fehle es. Angesichts der Aussagen des Vaters des Klägers im Erörterungstermin im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes könne kein Zweifel daran besteht, dass dieser keine Mietzahlungen von seinem Sohn verlange. So habe er auch in den Zeiten, in den der Kläger Leistungen für die Unterkunft erhalten habe, diese nie vom Kläger erhalten. Zudem habe er ausgesagt, dass er das weitere Vorgehen dem Kläger überlasse. Hierin sei ein Verzicht auf die Geltendmachung von Mietzahlungen zu sehen.

Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger am 25. Juni 2020 zugestellt worden. Am 25. Juli 2020 hat der Kläger Berufung eingelegt. Sein Vater habe auf nichts verzichtet und er habe die Leistungen des Beklagten für die Wohnung nicht weitergeleitet, weil er dies in einer Gesamtzahlung der Rückstände habe erledigen wollen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 23. Juni 2020 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 23. April 2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 5. September 2018 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. April 2018 bis zum 30. September...

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