Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen zum Nachweis einer wirksamen Mietzinsforderung zur Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung

 

Orientierungssatz

1. Tatsächliche Aufwendungen i. S. des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB 2 für eine Wohnung liegen auch dann vor, wenn der Hilfebedürftige im jeweiligen Leistungszeitraum einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt ist (BSG Urteil vom 3. 3. 2009, B 4 AS 37/08 R).

2. Entscheidend ist, ob eine ernsthafte Zahlungsverpflichtung des Grundsicherungsberechtigten gewollt ist und ob ausreichend Nachweise dafür vorliegen, dass dies tatsächlich der Fall ist und dass es sich nicht um ein bloßes Scheingeschäft zur Erlangung von Leistungen der Grundsicherung handelt.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten streitig ist, ob der Klägerin tatsächlich Kosten der Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1. Oktober 2016 bis zum 30. September 2017 entstanden sind. Die von der Klägerin bewohnte Wohnung steht im Eigentum ihrer Mutter.

Die Klägerin meldete sich zum 1. Februar 2010 in der Wohnung E.-Straße 5 an, die die Mutter der Klägerin im Herbst 2009 erworben hatte. Die Klägerin betrieb ein Studium bis einschließlich September 2013. In dieser Zeit leistete sie für das Bewohnen der Wohnung keine Zahlungen an ihre Mutter. Die Klägerin meldete sich für das Wintersemester 2013/2014 (beginnend am 1. Oktober 2013) nicht für das Studium zurück.

Sie beantragte am 19. September 2013 erstmals Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab dem 1. Oktober 2013 beim Beklagten und gab an, die Wohnung während des Studiums mietfrei bewohnt zu haben. Mit den Eintragungen in der Anlage KDU machte die Klägerin Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 360,- Euro Grundmiete und 69,- Euro Nebenkosten geltend. Sie legte ein Schreiben der Mutter vom 2. September 2013 vor, in dem es hieß: „[...] leider muss ich Dir diesen Brief schreiben. Meine finanzielle Situation hat sich geändert, so dass ich Dir die Wohnung in Hamburg nicht mehr kostenfrei überlassen kann. Werde Dir zu gegebener Zeit einen Mietvertrag senden.“ Des Weiteren reichte die Klägerin einen schriftlichen Mietvertrag zwischen ihr und ihrer Mutter über die Wohnung ein, in dem als Beginn des Mietverhältnisses der 1. Februar 2010 eingetragen war und der unter dem 25. September 2013 von Mutter und Klägerin unterschrieben worden war. In der Folgezeit bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Hierbei fanden lediglich die gesondert zwischen der Klägerin und dem Versorgungsunternehmen abgerechneten Kosten der Wasserversorgung im Rahmen der Kosten der Unterkunft und Heizung Berücksichtigung, nicht jedoch Zahlungsverpflichtungen aus dem Mietvertrag mit der Mutter.

Am 2. August 2016 stellte die Klägerin einen Eilantrag beim Sozialgericht (S 22 AS 2852/16 ER = L 4 AS 297/16 B ER). Das Sozialgericht (S 22 AS 2852/16 ER) verpflichtete den Beklagten mit Beschluss vom 5. August 2016 vorläufig, der Klägerin weitere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 2. August 2016 bis 30. September 2016 zu gewähren und dabei die Kosten der Wohnung E.-Straße 5 zu berücksichtigen. Unter dem 23. August 2016 führte der Beklagte den Beschluss des Sozialgerichtes aus und zahlte der Klägerin 843,70 Euro. Der Beschluss des Sozialgerichts vom 5. August 2016 wurde vom Landessozialgericht mit Beschluss vom 5. September 2016 (L 4 AS 297/16 B ER) wieder aufgehoben.

Mit Bewilligungsbescheid vom 13. September 2016 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 7. November 2016 und 26. November 2016 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1. Oktober 2016 bis 30. September 2017 ohne Berücksichtigung der Aufwendungen aus dem Mietvertrag mit der Mutter. Mit Schreiben vom 19. September 2016 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid vom 13. September 2016 ein. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid W-12965/16 vom 14. Dezember 2016 zurück.

Daraufhin erhob die Klägerin am 19. Dezember 2016 Klage. Sie machte geltend, dass sie ab 1. Oktober 2013 einer gültigen Mietforderung der Mutter ausgesetzt sei, die ab diesem Zeitpunkt keinen Unterhalt mehr geschuldet habe und auch aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse zur weiteren kostenfreien Überlassung nicht mehr bereit gewesen sei. Die höchstrichterliche Rechtsprechung erfordere einen Fremdvergleich in der Art und Weise, wie ihn der Beklagte für notwendig halte, nicht. Die Zeugin habe zur Aufrechterhaltung ihrer eigenen Finanzierung neben ihren geringen Einkünften in erheblichem Umfang geschütztes Schonvermögen eingesetzt. Die späte Kündigung und der Verzicht auf eine Räumung der Wohnung seien aufgrund der familiären Vorgeschicht...

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