Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachweis der Ernsthaftigkeit der Mietzinsforderung als Voraussetzung der Bewilligung von Kosten der Unterkunft durch den Grundsicherungsträger - Mietverhältnis unter engsten Verwandten

 

Orientierungssatz

1. Tatsächliche, vom Grundsicherungsträger zu übernehmende Aufwendungen i. S. des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB 2 für eine Wohnung liegen nicht nur dann vor, wenn der Hilfebedürftige die Miete bereits gezahlt hat. Ausreichend ist, wenn der Hilfebedürftige im jeweiligen Leistungszeitraum einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt ist (BSG Urteil vom 3. 3. 2009, B 4 AS 37/08 R).

2. Die Hauptpflichten der Mietvertragsparteien müssen klar und eindeutig vereinbart worden sein und entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt werden. Dabei wird bei einem Mietverhältnis unter engsten Verwandten das Standhalten eines Fremdvergleichs nicht gefordert. Wird bei einer unter engen Verwandten ausgesprochenen Kündigung des Mietvertrags aus Gründen der Ausbildung oder Erkrankung des Mieters von einer Räumung der Wohnung abgesehen, so ist dies für eine Übernahme der Unterkunftskosten durch den Grundsicherungsträger unschädlich.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten streitig ist, ob der Klägerin tatsächlich Kosten der Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1. Oktober 2013 bis zum 31. Dezember 2014 entstanden sind. Die von der Klägerin bewohnte Wohnung steht im Eigentum ihrer Mutter.

Die Klägerin meldete sich zum 1. Februar 2010 in der Wohnung E. Straße 5 an, die die Mutter der Klägerin im Herbst 2009 erworben hatte. Die Klägerin betrieb ein Studium bis einschließlich September 2013. In dieser Zeit leistete sie für das Bewohnen der Wohnung keine Zahlungen an ihre Mutter. Die Klägerin meldete sich für das Wintersemester 2013/2014 (beginnend am 1. Oktober 2013) nicht für das Studium zurück.

Sie beantragte am 19. September 2013 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab dem 1. Oktober 2013 beim Beklagten und gab an, die Wohnung während des Studiums mietfrei bewohnt zu haben. Mit den Eintragungen in der Anlage KDU machte die Klägerin Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 360,- Euro Grundmiete und 69,- Euro Nebenkosten geltend. Sie legte ein Schreiben der Mutter vom 2. September 2013 vor, in dem es hieß: „[...] leider muss ich Dir diesen Brief schreiben. Meine finanzielle Situation hat sich geändert, so dass ich Dir die Wohnung in Hamburg nicht mehr kostenfrei überlassen kann. Werde Dir zu gegebener Zeit einen Mietvertrag senden.“ Des Weiteren reichte die Klägerin einen schriftlichen Mietvertrag zwischen ihr und ihrer Mutter über die Wohnung ein, in dem als Beginn des Mietverhältnisses der 1. Februar 2010 eingetragen war und der unter dem 25. September 2013 von Mutter und Klägerin unterschrieben worden war.

Mit Ausgangsbescheid vom 14. November 2013 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 23. November 2013 und 13. März 2014 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum von Oktober 2013 bis März 2014. Mit Ausgangsbescheid vom 13. März 2014 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 19. Mai 2014 bewilligte der Beklagte Leistungen für den Zeitraum von April 2014 bis September 2014. Mit Ausgangsbescheid vom 27. August 2014 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 22. Oktober 2014 sowie 22. November 2014 bewilligte der Beklagte Leistungen für den Zeitraum von Oktober 2014 bis März 2015. Hierbei fanden lediglich die gesondert zwischen der Klägerin und dem Versorgungsunternehmen abgerechneten Kosten der Wasserversorgung im Rahmen der Kosten der Unterkunft und Heizung Berücksichtigung, nicht jedoch Zahlungsverpflichtungen aus dem Mietvertrag mit der Mutter.

Mit Schreiben vom 24. Oktober 2014 beantragte die Klägerin die Überprüfung sämtlicher 2013 und 2014 erlassener und bestandskräftig gewordener Bewilligungs- und Änderungsbescheide gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit dem Ziel der Berücksichtigung der im schriftlichen Mietvertrag vorgesehenen Mietzahlungen an die Mutter. Mit Beendigung des Studiums habe kein Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen die Mutter mehr bestanden, welcher der Grund für die vorhergehende kostenfreie Überlassung gewesen sei.

Mit Bescheid vom 30. Oktober 2014 lehnte der Beklagte eine Abänderung der Bescheide vom 14. November 2013, 23. November 2013, 13. März 2014, 19. Mai 2014, 27. August 2014 und 22. Oktober 2014 ab. Die Klägerin erhob hiergegen mit Schreiben vom 18. November 2014 Widerspruch.

Mit Änderungsbescheid vom 22. November 2014 erteilte der Beklagte wegen einer Regelbedarfsanpassung für den Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis 31. März 2015 eine neue Bewilligung, die hinsichtlich der Berücksichtigung der Unter...

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