Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungsrecht: Sozialversicherungspflicht eines GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers. Beurteilung der Entscheidungsbefugnis eines Minderheitsgesellschafters
Orientierungssatz
Ist es einem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH aufgrund der Höhe seines Gesellschaftsanteils und/oder der Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages nicht möglich, Entscheidungen in der Gesellschaft alleine zu treffen, so ist das Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers als sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu bewerten. Das gilt auch dann, wenn eine schuldrechtliche Stimmrechtsbindungsvereinbarung abgeschlossen wurde, die den Einfluss des Geschäftsführer-Gesellschafters sichern soll.
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 2. Oktober 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten - auch der Beigeladenen - sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens noch darüber, ob der Kläger bei der Beigeladenen zu 1. als Gesellschafter-Geschäftsführer in der Zeit vom 1. Dezember 2004 bis 31. Dezember 2006 sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist.
Die Beigeladene zu 1. wurde als GmbH mit notariellem Vertrag vom 26. März 2003 durch die drei Gesellschafter, Herrn M., den Kläger und Frau G., gegründet. Sie entstand aus der Geschäftstätigkeit der L. GmbH & Co. KG - ebenfalls eine Gesellschaft der drei Gesellschafter mit gleicher Anteilsverteilung -, welche seit 2000 auf dem Markt tätig ist. Am Stammkapital der Beigeladenen zu 1., das 50.000 EUR beträgt, ist nach § 3 des Gesellschaftsvertrages Herr M. mit einer Stammeinlage von 26.000 EUR, der Kläger mit einer Stammeinlage von 12.500 EUR und Frau G. mit einer Stammeinlage von 11.500 EUR beteiligt. Nach § 4 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages sind die Geschäftsführer einzeln geschäftsführungs- und vertretungsberechtigt. Sie sind von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreit. In § 4 Abs. 4 des Vertrages ist festgelegt, dass die Geschäftsführung für alle Geschäfte, die über den gewöhnlichen Betrieb des Unternehmens der Gesellschaft hinausgehen, der ausdrücklichen vorhergehenden Einwilligung der Gesellschafterversammlung bedarf. Gesellschafterbeschlüsse werden nach § 6 des Vertrages mit einfacher Mehrheit gefasst, soweit nicht das Gesetz zwingend oder der Vertrag ausdrücklich etwas anderes bestimmen. Bestimmte Geschäfte bedürfen zudem 75 % der Stimmen.
Alleiniger Geschäftsführer war zunächst Herr M., durch Gesellschafterbeschluss vom 28. Oktober 2004 wurden auch der Kläger und Frau G. zu alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführern bestellt.
Grundlage der Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer im streitbefangenen Zeitraum war ein am 29. November 2004 geschlossene Anstellungsvertrag mit Wirkung ab dem 1. Dezember 2004. Nach § 1 des Vertrages war der Kläger von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Nach § 2 hatte er seine gesamte Arbeitskraft und seine gesamten Kenntnisse und Erfahrungen der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen. Ihm oblag danach Leitung und Überwachung des Gesamtunternehmens, unbeschadet gleicher Rechte und Pflichten etwaiger anderer Geschäftsführer. Der Kläger erhielt für seine Tätigkeit nach § 4 des Vertrages ein festes Monatsgehalt von 2749,60 EUR, zuzüglich Weihnachtsgeld in gleicher Höhe. Im Krankheitsfall blieb der Gehaltsanspruch für die Dauer von sechs Monaten bestehen. Nach § 6 des Vertrages hatte der Geschäftsführer Anspruch auf 26 Arbeitstage bezahlten Urlaub. Das Anstellungsverhältnis wurde nach § 7 des Vertrages auf unbestimmte Zeit geschlossen und war für beide Parteien mit einer Frist von sechs Monaten zum Quartalsende kündbar.
Am 5. Januar 2005 beantragte der Kläger die Statusfeststellung. In einem hierzu ausgefüllten Feststellungsbogen gab er an, keinem Weisungsrecht der Gesellschaft hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Beschäftigung zu unterliegen, ohne Ausnahme selbstständig Personal einstellen und entlassen zu können und am Gewinn aufgrund von Gewinnausschüttungen auf Gesellschafterbasis beteiligt zu sein. Hinsichtlich der Frage nach Einschränkungen in der freien Gestaltung seiner Tätigkeit verwies der Kläger auf den Gesellschaftsvertrag. Herr M. bestätigte diese Angaben für die Beigeladene zu 1 ...
Nach Anhörung stellte die Beklagte daraufhin mit Bescheid vom 30. August 2005 fest, dass der Kläger in seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu der Beigeladenen zu 1. stehe. Der Kläger habe einen Stimmanteil von 25 %. Somit habe er keinen maßgebenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft, da er nicht über die Hälfte des Stammkapitals verfüge und daher auch nicht die einfache Mehrheit erreichen könne. Er besitze auch keine Sperrminorität. Angesichts der Zahlung fester Bezüge trage er kein eine selbstständige Tätigkeit kennzeichnendes Unternehmens...