Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Dozententätigkeit für die Maßnahmen Motivation-Orientierung-Training, Vermittlung in den Arbeitsmarkt und Praxis-Unterricht-Reintegration. Tätigkeit als Lernbegleiterin im modularen Weiterbildungssystem. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Abgrenzung

 

Orientierungssatz

Zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung einer Dozententätigkeit für die Maßnahmen Motivation-Orientierung-Training, Vermittlung in den Arbeitsmarkt und Praxis-Unterricht-Reintegration (hier: Annahme einer selbstständigen Tätigkeit) sowie einer Tätigkeit als Lernbegleiterin im modularen Weiterbildungssystem (hier: Annahme einer abhängigen Beschäftigung) für einen Auftragnehmer der Bundesagentur für Arbeit.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 4. Mai 2017 und der Bescheid der Beklagten vom 14. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2015 abgeändert und festgestellt, dass die Klägerin aufgrund der für die Beigeladene zu 1. ausgeübten Tätigkeiten der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, der Kranken- und Pflegeversicherung und der Arbeitslosenversicherung für folgende Zeiträume unterlag:

26. April 2011 bis 29. April 2011,

9. September 2011 bis 7. Oktober 2011,

4. Dezember 2012 bis 19. Dezember 2012.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte und die Beigeladene zu 1. tragen die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für alle Rechtszüge mit einem Anteil von jeweils 10%. Die Klägerin trägt 80% der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. für alle Rechtszüge.

Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit ist der sozialversicherungsrechtliche Status verschiedener Tätigkeiten der Klägerin als Dozentin/Lehrkraft für die Beigeladene zu 1., einer Bildungsreinrichtung.

Die 1964 geborene Klägerin hat Betriebswirtschaftslehre studiert. Nachdem sie nach der Familienpause an einer Maßnahme der Beigeladenen zu 1. teilgenommen hatte, legte sie eine Ausbildereignungsprüfung ab und übernahm ab 2009 selbst Lehrtätigkeiten und Lernberatung. Dabei handelte es sich um Maßnahmen zur Reintegration und Vermittlung von Erwachsenen auf dem Arbeitsmarkt. Kostenträger und Auftraggeber gegenüber der Beigeladenen zu 1. als zertifiziertem Bildungsträger nach den Regelungen des Sozialgesetzbuches - Drittes Buch (SGB III) war überwiegend die Bundesagentur für Arbeit (Beigeladene zu 4). Der Bildungsträger schloss mit der Klägerin für jeden Lehrgang bzw. jede Maßnahme einen gesonderten Honorarvertrag.

Die Honorarverträge enthielten im Wesentlichen folgende Regelungen:

Die/der freie Mitarbeiter(in) verpflichtet sich, im Rahmen der nachfolgend genannten Maßnahme/ des Lehrgangs und in dem Vertragszeitraum sowie Vertragsumfang Kenntnisse zu vermitteln zuzüglich der üblichen Vor - und Nachbereitung (Korrektur etwaiger schriftlicher Arbeiten, Führung des Klassenbuches usw.). Sie/er wird die übernommenen Aufgaben selbst oder nach vorheriger Abstimmung mit dem Auftraggeber durch ausreichend qualifizierte Mitarbeiterinnen durchführen (Unteraufträge werden von ihr/ihm nicht vergeben). (…).

In den Honorarverträgen wurde sodann die jeweilige Lehrgangsbezeichnung in Kurz- und Langtext, der Vertragsbeginn sowie das Vertragsende und die zu leistenden Stunden vermerkt.

Umfang und Lage der Tätigkeitszeiten sowie der Tätigkeitsort ist zwischen den Vertragsparteien bei bzw. vor Vertragsschluss einvernehmlich vereinbart worden. Etwaige Änderungen und Verlegungen werden ausschließlich einvernehmlich vorgenommen; eine entsprechende Weisungsgebundenheit der/des freien Mitarbeiters(in) besteht nicht.

Die/der freie Mitarbeiter(in) verpflichtet sich, bei Verhinderungen unverzüglich die Zweigstellenleitung zu informieren.

Es wird zwischen den Vertragsparteien ausdrücklich vereinbart, dass dieser Honorarvertrag auch während seiner Laufzeit beiderseitig mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende kündbar ist.

Der Auftraggeber honoriert diese Tätigkeit in Höhe von insgesamt Euro netto 16 zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer von zurzeit 19 % je tatsächlich erteilter Vermittlungsstunde bzw. Vermittlungstag durch Überweisung ohne Abzüge auf das oben angegebene Konto nach Abgabe des "Einzelnachweises", sofern nicht der Lehrgang nach § 4 Nr. 21 UStG befreit ist.

In dem vereinbarten Honorar ist auch die Vergütung für die Vor- und Nachbereitung der Vermittlungsstunden, etwa anfallende An- und Abreisezeiten und etwaige Reisekosten sowie Aufwendungsersatz o.ä. mit enthalten; ebenfalls enthält es den Zuschlag zur anteilmäßigen Deckung der so genannten "Arbeitgeber - Hälfte" der gesetzlichen Beiträge gemäß § 169 Nr. 1 SGB VI. Weitere Vergütungsansprüche, insbesondere bei Krankheit und / oder bei Stundenausfall, bestehen nicht; bei Ausfall der Lehrveranstaltungen (z.B. bei Nichtzustandekommen der Maßnahmen oder bei Abbruch) besteht...

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