Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem Lehrer bzw. Dozenten

 

Orientierungssatz

1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

2. Der Beruf eines Lehrers bzw. eines Dozenten an Volkshochschulen, allgemeinbildenden Schulen und Bildungseinrichtungen kann sowohl in abhängiger Beschäftigung als auch in Form selbständiger Tätigkeit ausgeübt werden.

3. Kann ein Dozent seine Arbeitstage selbst festlegen, erfolgt im Vertretungsfall und bei Urlaub keine Zuweisung von Lehrtätigkeiten durch den Auftraggeber, findet eine organisatorische Einbindung in den Schulbetrieb nicht statt, existieren keine relevanten Weisungen hinsichtlich der Lehrtätigkeit, fehlen Kontrollen bei der Ausübung des Unterrichts, gibt es keine Verpflichtung, an Konferenzen teilzunehmen und erfolgt die Vergütung nach einem vereinbarten Stundenhonorar, so ist von dem Bestehen einer selbständigen Tätigkeit auszugehen.

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 18. Januar 2019 sowie der Bescheid der Beklagten vom 25. September 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. März 2014 aufgehoben und festgestellt, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit für die Klägerin im Zeitraum vom 1. Juli 1986 bis 31. Dezember 1989 der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung, der Kranken- und Pflegeversicherung sowie der Arbeitslosenversicherung nicht unterlegen hat.

2. Die Beklagte trägt mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen die Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit ist der sozialversicherungsrechtliche Status der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. als Dozentin/ Lehrkraft für die Klägerin zu 1., einer Bildungseinrichtung.

Die 1943 geborene Beigeladene zu 1. war in der Zeit vom 1. Juli 1986 bis zum 31. Dezember 1989 für die Klägerin in der A. als Dozentin auf Honorarbasis tätig. Hierfür erhielt sie eine Vergütung von zunächst 30 DM pro Stunde ab Januar 1989 32,50 DM. Zur monatlichen Abrechnung nutzte sie Vordrucke der Klägerin, in welchen die Stundenanzahl und die Kurse anzugeben waren. Ab dem 1. Januar 1990 arbeitete die Beigeladene zu 1. als abhängig beschäftigte Dozentin für die Klägerin.

Mit Schreiben vom 30. April 2013 stellte die Beigeladene zu 1. einen Antrag auf Statusfeststellung nach § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch(SGB IV) für eine Tätigkeit als Dozentin bei der Klägerin im Zeitraum 1. Juli 1986 bis 31. Dezember 1989. Sie gab an, Lehrtätigkeiten in der Ausbildung von Industriekaufleuten und Bürokaufleuten für die Klägerin ausgeübt und diese auf die Abschlussprüfung vorbereitet zu haben. Lehrplan und Unterrichtsmaterialen seien vorgegeben gewesen. Sie habe von den Fachbereichsleitern auch methodische und didaktische Anweisungen erhalten. Sie habe das Klassenbuch führen müssen sowie Lerndokumentationen und Leistungsbeurteilungen der Teilnehmer. Durchschnittlich habe sie 30 Unterrichtsstunden wöchentlich geleistet. Beginn und Ende der Unterrichtstunden seien durch die Einrichtung vorgegeben worden. De facto habe die Klägerin die Unterrichts- und Vertretungsstunden zugewiesen, bei einer Ablehnung wäre ein weiterer Einsatz nicht mehr erfolgt. Bei Problemen im Unterricht sei eine Evaluation durch die Lehrgangsleitung durchgeführt worden. Alle Dozenten eines Lehrganges, ob freiberuflich tätig oder festangestellt, hätten im Team gearbeitet. Unterschiede zwischen den festangestellten Mitarbeitern und freien Mitarbeitern habe es nur im Hinblick auf die Abrechnung und die Kündigungsfrist gegeben. Sämtliche Arbeitsmaterialien seien durch die Bildungseinrichtung gestellt worden, jeder Dozent sei verpflichtet gewesen, an Veranstaltungen schulischer Art der D1 teilzunehmen. Ein Austausch zur Notengebung und zu dem Verhalten der Teilnehmer sei regelmäßig zwischen den Dozenten und den Fachbereichsleitern erfolgt.

Mit Schreiben vom 19. August 2013 hörte die Beklagte die Klägerin zum beabsichtigten Erlass eines Bescheides über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung sowie zur beabsichtigten Feststellung der Versicherungspflicht in der Kranken-, der Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung für die ausgeübte Beschäftigung an. Die Versicherungspflicht beginne mit Aufnahme der Beschäftigung. Die Beigeladene zu 1. sei vom 1. Juli 1986 bis 31. Dezember 1989 als Lehrerin im Bereich der Ausbildung von Industriekaufleuten mit Abschlussprüfung vor der I. und im Praxistraining in der Übungsfirma tätig gew...

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