Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Versicherungspflicht. geflohener Häftling. Entweichen aus dem offenen Vollzug. kein Anspruch mehr auf Gesundheitsfürsorge durch Justizvollzugsanstalt
Orientierungssatz
Ein geflohener Häftling ist nach dem Entweichen aus dem offenen Vollzug in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig nach § 5 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB 5. Der Anspruch auf Gesundheitsfürsorge durch die Justizvollzugsanstalt endet durch die Flucht.
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 25. Oktober 2022 sowie der Bescheid der Beklagten vom 19. Oktober 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. August 2017 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 17.150,92 Euro nebst Zinsen in Höhe von 4% seit dem 18. September 2017 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten jeweils selbst tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger macht als Gesamtrechtsnachfolger einen Anspruch auf Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen geltend, die auf ein nach eingetretenem Störfall (§ 23b Abs. 2 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch ≪SGB IV≫, hier: vorzeitiges Ende des Beschäftigungsverhältnisses durch Tod der Beschäftigten) in Arbeitsentgelt umgewandeltes Zeitguthabenkonto abgeführt wurden. Streitig ist dabei insbesondere der bei der Beitragsberechnung gemäß § 23b Abs. 2 S. 3 SGB IV zu Grunde zu legende Zeitpunkt der ersten Gutschrift auf dem Wertguthaben.
Die am ... 1959 geborene R. (Erblasserin) war seit dem 19. Mai 1980 bei der H. AG, deren Rechtsnachfolgerin die Beigeladene zu 1. ist, als Raumpflegerin angestellt. Als abhängig Beschäftigte war sie bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert.
Ausweislich eines auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Manteltarifvertrags zwischen der A. e.V., dem A1 e.V. und dem W. e.V. - einerseits - sowie der I. V. M. - andererseits - (im Folgenden: Manteltarifvertrag) wurden zur Dokumentation der geleisteten Arbeitszeiten unterschiedliche Arbeitszeitkonten geführt. Nach § 8 Ziff. 1 Manteltarifvertrag wurde insofern zwischen einem Jahresarbeitszeitkonto sowie einem Langzeitkonto unterschieden. Das Jahresarbeitszeitkonto diente zum Ausgleich zwischen der durchschnittlichen wöchentlichen Sollarbeitszeit und der tatsächlichen Arbeitszeit, vgl. § 5 Ziff. 1 und § 8 Ziff. 2 Manteltarifvertrag. Auf das Langzeitkonto konnten nach § 8 Ziff. 3 Manteltarifvertrag unter anderem Zeitguthaben aus dem Jahresarbeitszeitkonto sowie der Umwandlung von Sonderzahlungen verbucht werden. Über das Langzeitkonto sollte nach § 8 Ziff. 4 Manteltarifvertrag Arbeitnehmern ermöglicht werden, sich bei Fortzahlung der Bezüge unmittelbar vor Eintritt in den Ruhestand im Umfang seines Zeitguthabens freistellen zu lassen.
Am 6. März 2014 schloss die Erblasserin mit der Beigeladenen zu 1. einen Aufhebungsvertrag, der ein Ende des bestehenden Arbeitsverhältnisses spätestens zum 30. April 2022 vorsah. Weiter wurde hierin vereinbart, dass ab dem 1. Januar 2015 eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 20,35 Stunden geschuldet werden sollte. Die Beigeladene verpflichtete sich entsprechend Ziff. 6.1.5 des Sozialplans vom 3. Dezember 2013, der Erblasserin - anstelle einer einmaligen Auszahlung einer Abfindung in Geld - eine Zeitgutschrift in Höhe von 7500,44 Stunden zu gewähren, die als Zeitguthaben auf ein Langzeitkonto gebucht wurde. Die Erblasserin verpflichtete sich, das gesamte Zeitguthaben des Langzeitkontos im Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2015 und dem 30. April 2022 in Anspruch zu nehmen. Es wurde zudem eine Urlaubsabrede für den Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 19. Januar 2022 getroffen.
Die Erblasserin verstarb am ... 2015. Der Kläger ist ihr Alleinerbe.
Die Beigeladene zu 1. tätigte auf Grundlage einer ihrer Ansicht nach geschuldeten Störfallzahlung in Höhe von 131.060,30 Euro brutto im Februar 2015 eine erste Zahlung an den Kläger. Sie entrichtete Sozialversicherungsbeiträge an die Beklagte und legte bei der Ermittlung der Höhe einen Zeitraum vom 1. März 2008 bis zum ... 2015 zugrunde.
Mit Schreiben vom 8. Dezember 2015 beanstandete die Prozessbevollmächtigte des Klägers gegenüber der Beklagten, die unzutreffende Abrechnung der Sozialversicherungsbeiträge. Der Arbeitnehmeranteil des Gesamtsozialversicherungsbeitrages habe lediglich eine Höhe von 8.235,06 Euro, weshalb ein Erstattungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte in Höhe von 12.600,72 Euro bestehe.
In einem vor dem Arbeitsgericht Hamburg am 20. Juli 2016 zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. geschlossenen Vergleich (Az: 27 Ca 464/15), verpflichtete sich die Beigeladene zu 1., an den Kläger zur vollständigen Abgeltung von Zeitguthaben der Erblasserin einen weiteren Betrag von 16.976,38 Euro brutto zu zahlen.
Im September 2016 tätigte die Beigeladene zu 1. die entsprechende Zahlung und entrichtete Sozialversicherungsbeiträge an die B...