Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. medizinische Rehabilitation. Beschränkung auf die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Petö-Therapie. Abgrenzung der sozialen Rehabilitation von der medizinischen Rehabilitation
Orientierungssatz
1. Die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 54 Abs 1 S 1 SGB 12 entsprechen gemäß § 52 Abs 5 SGB 12 den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und sind daher auch im Hinblick auf die Heilmittel nach § 32 SGB 5 auf den Leistungskatalog der GKV beschränkt. Die Petö-Therapie ist aber nicht Gegenstand der GKV.
2. Als Anspruchsgrundlage für eine Übernahme der Kosten für die Petö-Therapie als Leistung zur Teilhabe an der Gemeinschaft kommt § 54 Abs 1 SGB 12 iVm § 55 Abs 1, Abs 2 Nr 3 SGB 9 in Betracht.
3. Kommt es zu einer Überschneidung von medizinischer und sozialer Rehabilitation, ist die notwendige Zuordnung einer Maßnahme danach vorzunehmen, welcher Leistungszweck im Vordergrund steht bzw den Schwerpunkt bildet. Dient eine Petö-Therapie im Einzelfall zwar auch der Verbesserung der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, steht dabei aber der medizinische Leistungszweck im Vordergrund, so ist sie allein der medizinischen Rehabilitation zuzuordnen.
Normenkette
SGB XII § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 19 Abs. 3, § 52 Abs. 5, § 53 Abs. 1, § 92 Abs. 2; SGB IX § 2 Abs. 1 S. 1, §§ 4, 26 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 4, §§ 33, 55 Abs. 1, 2 Nr. 3; SGB V § 32
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte die Kosten einer von der Klägerin in Anspruch genommenen Petö-Therapie aus Sozialhilfemitteln zu übernehmen hat.
Die Klägerin ist am … 2003 geboren. Sie ist wegen einer Zerebralparese schwerbehindert bei einem GdB von 100 nebst Merkzeichen G, aG und H. Ab 2009 besuchte die Klägerin die Grundschule, seit 2013 eine weiterführende Schule. In diesem Zusammenhang erhält sie von der Beklagten Eingliederungshilfe.
Die Beigeladene trägt die Kosten der regelmäßigen physiotherapeutischen Behandlungen der Klägern, nicht jedoch die Kosten der von der Klägerin außerdem in Anspruch genommenen Petö-Therapie (Blockveranstaltungen). Hierfür hat die Mutter der Klägerin seit 2010 insgesamt 29.740,45 EUR verauslagt.
Im Dezember 2010 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Übernahme bzw. Erstattung der Kosten für die Petö-Therapie als Eingliederungshilfe. Mit Bescheid vom 20. Dezember 2010 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da es um medizinische Rehabilitation gehe, die in die Zuständigkeit der Krankenkasse falle. Der Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg. Im Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 11. Juni 2012 heißt es, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten der Petö-Therapie nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 Nr. 1 der Eingliederungshilfe-VO. Die Maßnahmen der Petö-Therapie seien hier nicht geeignet und erforderlich, um der Klägerin den Schulbesuch zu ermöglichen oder zu erleichtern. Auch ein Anspruch nach § 53, § 54 Abs. 1, § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 SGB XII scheide aus. Bei der Klägerin stehe die körperliche Behinderung im Vordergrund, und die Petö-Therapie stelle eine primär medizinische Maßnahme dar.
Am 25. Juni 2012 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Hamburg Klage erhoben. Dieses hat die Klage mit Urteil vom 25. August 2014 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Weder die Beigeladene als gesetzliche Krankenversicherung noch die Beklagte als Trägerin der Sozialhilfe hätten die Kosten der Petö-Therapie zu übernehmen. Insbesondere komme eine Leistungsgewährung im Wege der Eingliederungshilfe nicht in Betracht. Das liege allerdings nicht an der Klassifizierung der Petö-Therapie als Heilmittel im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung. Da sich der Ausschlusstatbestand des § 54 Abs. 1 Satz 2 SGB XII nur auf medizinische Rehabilitation beschränke, könnten die Kosten zwar grundsätzlich im Rahmen der Eingliederungshilfe als soziale Rehabilitation nach §§ 53 ff. SGB XII übernommen werden. Allerdings lägen im Falle der Klägerin die Voraussetzungen dafür nicht vor, denn hier diene die Petö-Therapie fast ausschließlich der medizinischen Rehabilitation.
Das Urteil ist der Klägerin am 27. Januar 2015 zugestellt worden. Am 25. Februar 2015 hat sie Berufung eingelegt.
Die Klägerin verfolgt ihr Begehren weiter. Sie hält insbesondere die Einschätzung der Beklagten und des Sozialgerichts, die Petö-Therapie diene nicht wesentlich der sozialen Rehabilitation, nicht für zutreffend.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Dezember 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2012 zu verurteilen, die Kosten für die durchgeführten Petö-Therapien zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Beklagte und Beigeladene verteidigen die angefochtene Entscheidung.
Der Senat hat eine Stellungnahme der Landesärztin fü...