Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragspflichtigkeit der türkischen Rente eines in Deutschland lebenden türkischen Versicherten
Orientierungssatz
1. Nach Art. 14 Abs. 3 S. 1 des deutsch-türkischen Abkommens über die soziale Sicherheit vom 30. 4. 1964 (juris: SozSichAbk TUR) ist die Rente - gleich aus welchem Vertragsstaat stammend - nach dem Beitragsrecht desjenigen Staates zu verbeitragen, in dem sich der Rentenempfänger gewöhnlich aufhält.
2. Die mit den §§ 237 S. 1, S.2 i. V. m. 228 Abs. 1 S. 2 SGB 5 zum 1. 7. 2011 eingetretene Gesetzesänderung hat nicht zu einer Änderung des Abkommens selbst, sondern nur zu einer Änderung der Beitragspflicht auf einfachgesetzlicher Grundlage geführt. Dies ist kein Fall einer Vertragsänderung.
3. Damit bedurfte die eingetretene Rechtsänderung auf deutscher Seite nicht der Zustimmung der Türkei in einem förmlichen völkerrechtlichen Verfahren.
4. Soweit der türkische Sozialversicherungsträger die türkische Rente des Versicherten verbeitragt, verstößt er mit dieser Verwaltungspraxis gegen Art. 14 Abs. 3 S. 1 des Abkommens. Gegen die doppelte Verbeitragung hat der Versicherte in der Türkei vorzugehen.
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Bemessung von Beiträgen des Klägers zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegebersicherung durch die Beklagte.
Der aus der T. stammende Kläger lebt seit 1973 mit einer kurzen Unterbrechung in Deutschland. Er erhält eine Rente der deutschen Rentenversicherung sowie weitere Versorgungsbezüge in Höhe von 689,75 Euro monatlich. Außerdem bezieht er eine Rente des t. Rentenversicherungsträgers (S.) seit dem 1. Juli 2011 in Höhe von monatlich 855,42 Y., ab Juli 2011 in Höhe von monatlich 890,75 Y., ab Januar 2012 in Höhe von monatlich 951,24 Y. und ab Juli 2012 in Höhe von monatlich 969,79 Y ...
Mit Bescheid vom 29. April 2013 setzte die Beklagte - auch im Namen der Beigeladenen - die monatlichen Beiträge aus den Bezügen der S. wie folgt fest:
Zum
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Stichtag |
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01.07.11 |
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01.01.12 |
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01.07.12 |
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01.01.13 |
Beiträge gesamt |
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38,22 |
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41,71 |
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44,18 |
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42,16 |
KV |
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30,88 |
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30,7 |
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35,69 |
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33,73 |
PV |
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7,34 |
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8,01 |
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8,49 |
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8,43 |
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 6. Mai 2013 Widerspruch.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte aus, dass entsprechend § 237 S. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bei versicherungspflichtigen Rentnern der Zahlbetrag der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zur Beitragsbemessung zur Krankenversicherung zu Grunde zu legen sei. Als Rente der gesetzlichen Rentenversicherung würden gem. § 228 Abs. 1 S. 1 und S. 2 SGB V auch vergleichbaren Renten aus dem Ausland zählen. Diese Normen fänden gem. § 51 Abs. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) entsprechende Anwendung in der sozialen Pflegeversicherung. Der Beitragssatz ergäbe sich aus den §§ 241 und 247 SGB V und 55 Abs. 3 S. 1 SGB XI. Seit dem 1. Juli 2011 unterlägen auch ausländische Renten der Beitragspflicht. Die Beklagte und die Beigeladene hätten als Körperschaften des öffentlichen Rechts die Vorgaben des Gesetzgebers umzusetzen.
Hiergegen hat der Kläger am 11. Juni 2014 Klage bei dem Sozialgericht Hamburg mit der Begründung erhoben, aus dem deutsch-t. Sozialversicherungsabkommen und den dazugehörigen Protokollen ergebe sich, dass auf die t. Rente keine Sozialversicherungsbeiträge erhoben werden dürften. Zwar ergebe sich aus dem Gesetz zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Europa, dass seit dem 1. Juli 2011 ausländische Renten den Renten der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung gleichgestellt seien und dass daher daraus auch Beiträge für die gesetzliche Kranken- und die soziale Pflegeversicherung gezahlt werden müssten. Die entsprechenden Regelungen des SGB V und XI seien auf die t. Rente wegen des deutsch-t. Sozialversicherungsabkommens aber nicht anwendbar, sodass darauf keine Sozialversicherungsbeiträge zur deutschen Kranken- und Pflegeversicherung erhoben werden dürften. Die Ausweitung der deutschen Beitragspflicht auf t. Renten hätte zunächst über das im deutsch-t. Sozialversicherungsabkommen geregelte Verfahren zwischen den beiden Ländern abgesprochen werden müssen und hätte nicht einseitig durch den deutschen Gesetzgeber geregelt werden dürfen. Das Abkommen sehe ein klares Verfahren vor, wenn der Vertrag geändert werden solle. Der Kläger erhalte bereits eine Rente aus der T. und führe darauf bereits in der T. Sozialversicherungsbeiträge ab, da sich die T. ebenfalls auf das Abkommen berufe. Eine doppelte Beitragserhebung sei weder zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der T. oder zwischen der Europäischen Union und der T. geregelt. Es bestehe daher eine Regelungslücke, sodass eine Verweisungsvorschrift auf das deutsche Recht nicht anwendb...