Entscheidungsstichwort (Thema)

Familieneinheitlicher Leistungsausschluss für Ausländer und deren nicht erwerbsfähige Familienangehörige

 

Orientierungssatz

1. Anknüpfungspunkt des Ausschlusstatbestandes des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB 2 ist eine erwerbsfähige hilfebedürftige Person ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Damit greift der Leistungsausschluss sowohl für diese Person als auch für ihre - nicht erwerbsfähigen - Familienangehörigen. Mit dem Zusatz "mit Ausnahme der dort genannten Einschränkungen" in § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB 2 unterscheidet das Gesetz die erwerbsfähigen hilfebedürftigen Ausländer und ihre nicht erwerbsfähigen hilfebedürftigen Angehörigen und führt einen familieneinheitlichen Leistungsausschluss herbei.

2. Das Ergebnis dieser Auslegung wird gestützt durch die Gesetzesbegründung zu dem 2007 neu in das SGB 2 aufgenommenen Ausschlussgrundes.

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 29. April 2011 wird zurückgewiesen. Der Beklagte erstattet den Klägern zu 2. und 3. die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Leistungen für die Kläger zu 2. und 3. nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - SGB II - für die Zeit vom 1. April 2008 bis zum 7. Juni 2008 streitig.

Der Ehemann der Klägerin, geboren am ... 1953, kam Ende März 2008 als D. Staatsangehöriger nach D1 zurück, nachdem er sich längere Zeit in B. aufgehalten hatte. Dort hatte er die am ... 1981 geborene Klägerin, welche die B1 Staatsangehörigkeit besitzt, geheiratet. Zusammen mit ihr und ihrem aus erster Ehe stammenden Sohn, dem am ... 2004 geborenen Kläger zu 3., der neben der B2 auch die I. Staatsangehörigkeit besitzt, beantragte der Ehemann der Klägerin am 1. April 2008 Leistungen nach dem SGB II. Die Klägerin und der Kläger zu 3. waren zunächst als Touristen nach D1 eingereist und beantragten nach der Einreise in das Bundesgebiet eine Aufenthaltserlaubnis. Am 17. Juli 2008 wurde den Klägern jeweils eine Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 3 Satz 1 Aufenthaltsgesetz - AufenthG - ausgestellt. Der Ehemann der Klägerin meldete sich zunächst ab dem 8. Juni 2008 aus dem Leistungsbezug ab, beantragte aber bereits am 21. Juli 2008 erneut Leistungen für sich und für die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Kläger. Darauf wurde mit Bescheid vom 23. Juli 2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 31. Juli 2008 dem Leistungsantrag der Bedarfsgemeinschaft ab dem 21. Juli 2008 entsprochen, insbesondere wurde den Klägern zu 2. und 3. Sozialgeld nach § 28 SGB II gewährt.

Mit Bescheid vom 8. Mai 2008 wurden auf seinen Antrag vom 1. April 2008 allein dem Ehemann der Klägerin Leistungen nach dem SGB II für den hier im Streit befindlichen Zeitraum bewilligt. Die Klägerin und der Kläger zu 3. erhielten keine Leistungen. Mit weiteren Änderungsbescheiden vom 17. Mai 2008, 23. Juni 2008, 16. Juli 2008 und 23. Juli 2008 wurde die Leistungsbewilligung gegenüber dem Ehemann der Klägerin jeweils geändert.

Der Ehemann der Klägerin und die Kläger legten gegen den Bewilligungsbescheid vom 8. Mai 2008 Widerspruch ein. Die Änderungsbescheide wurden gem. § 86 Sozialgerichtsgesetz in das Widerspruchsverfahren einbezogen. Zur Begründung führten sie aus, dass auch der Klägerin und dem Kläger zu 3. Leistungen nach dem SGB II zustünden und diese nicht von einem Leistungsbezug ausgeschlossen seien.

Der Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 21. November 2008 den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, dass die Klägerin und der Kläger zu 3. nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II von einem Bezug von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen seien.

Dagegen haben der Ehemann der Klägerin und die Kläger am 29. Dezember 2008 Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben. Sie führten zur Begründung aus, dass die Kläger jedenfalls Anspruch auf Sozialgeld nach dem SGB II hätten. Die Klägerin habe aufgrund ihrer Ehe die Möglichkeit gehabt, mit einem Touristenvisum nach D1 einzureisen, und sie habe dann erst in D1 die Aufenthaltserlaubnis beantragt. Die Einreise nach D1 habe aber von Anfang an den Zweck der Herstellung einer ehelichen Gemeinschaft mit ihrem Ehemann gehabt. D1 sei mithin ab dem 1. April 2008 der gewöhnliche Aufenthalt der Klägerin und auch des Klägers zu 3. gewesen. Der Ausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II greife nur ein, wenn kein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft ein arbeitsfähiger D4 sei.

Der Ehemann der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 29. April 2011 die Klage zurückgenommen.

Mit Urteil vom 29. April 2011 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig, denn den Klägern seien in dem Zeitraum vom 1. April 2008 bis zum 7. Juni 2008 Leistungen nach dem SGB II zu gewähren, da sie einen Anspruch auf Zahlung von Sozialgeld nach § 28 SGB II hätten. Sie hätten zwar in dem streitgegenständlichen Zeitraum keinen Anspruch...

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