Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Zugunstenverfahren. Verletztenrente. MdE-Erhöhung. Einsteifung des unteren Sprunggelenkes. Nichtberücksichtigung gem § 48 Abs 3 SGB 10. Nichtvorliegen eines Wegeunfalls. keine geringfügige Unterbrechung. sachlicher Zusammenhang. Änderung der Handlungstendenz. eigenwirtschaftliche Tätigkeit. Wartezeit von 45 Minuten. polizeiliche Ermittlungen. Verlassen des verunfallten Pkw. Schockzustand. unmögliche Fortsetzung des Heimweges
Orientierungssatz
1. Zur bejahten Erhöhung einer MdE um 10 vH wegen einer hinzugetretenen Einsteifung des Sprunggelenkes im Rahmen eines Zugunstenverfahrens gem § 48 Abs 1 SGB 10, die aber gem § 48 Abs 3 SGB 10 nicht festgestellt werden darf.
2. Eine Arbeitnehmerin, die auf dem Nachhauseweg einen Verkehrsunfall erleidet, steht bei einem sich anschließenden zweiten Unfall nach einer 45 minütigen Wartepause und einem Gespräch mit der Polizei an der Unfallstelle mangels sachlichen Zusammenhangs zur versicherten Tätigkeit nicht mehr gem § 8 Abs 2 Nr 1 SGB 7 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 25. Oktober 2019 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erhöhung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf mehr als 20 v. H.
Die am … 1965 geborene Klägerin war als Krankenschwester im Krankenhaus B. in H. beschäftigt und bei der Beklagten gegen Arbeitsunfälle versichert. Am 23. Dezember 1983 erlitt die Klägerin auf ihrem Heimweg von ihrer Arbeit einen Verkehrsunfall. In der Unfallanzeige des Schwesternheimes und Krankenhauses B. vom 4. Januar 1984 wird ausgeführt, dass die Klägerin am 23. Dezember 1983 in einer Warteschlange vor der Ampel in ihrem PKW gewartet habe, als ein hinter ihr wartender PKW von einem weiteren PKW auf ihr Auto geschoben worden sei. Nachdem die Unfallstelle abgesichert worden sei und die Polizei die Schadensaufnahme gemacht habe, habe die Klägerin darauf gewartet, dass sie die Personalien des schuldigen Fahrers aufgeschrieben bekomme. Plötzlich sei wieder ein Fahrzeug auf die Unfallstelle zugerast und die Klägerin sei zwischen zwei Fahrzeugen eingequetscht worden. Die Klägerin gab an, dass der erste Unfall gegen 20:15 Uhr geschehen sei und der zweite gegen 21:05 Uhr. Die Klägerin wurde ins Krankenhaus eingeliefert und wegen der infolge des zweiten Auffahrunfalls erlittenen Verletzungen ihres linken Sprunggelenks behandelt.
Im Ersten Rentengutachten vom 24. Mai 1984 wurde von dem Unfallchirurgen Dr. M. als Verletzung eine offene Sprunggelenksluxationsfraktur links mit ausgedehntem Weichteilschaden, eine Oberschenkelrisswunde links sowie multiple Prellungen und Schürfungen an beiden Beinen mit neurologischen Ausfällen als unmittelbare Unfallfolgen diagnostiziert. Zum Zeitpunkt der Erstattung des Gutachtens litt die Klägerin unter einer abgeheilten offenen Sprunggelenksluxationsfraktur links mit erheblichem Weichteilschaden und noch bestehender Schwellneigung und Sensibilitätsstörung. Weiterhin bestanden breite Vernarbungen mit Keloidbildung am linken Sprunggelenk sowie eine eingeschränkte Beweglichkeit im linken Sprunggelenk. Die MdE durch die Unfallfolgen wurde mit 20 v. H. geschätzt. Mit den Bescheiden der Beklagten vom 20. September 1984 und vom 19. September 1985 wurde das Unfallereignis als Arbeitsunfall und die von Dr. M. festgestellten Verletzungen als Unfallfolgen anerkannt sowie eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. festgestellt.
Mit Schreiben vom 11. Februar 2016 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Verschlimmerungsantrag aufgrund der Verschlechterung ihres gesundheitlichen Zustandes.
In einem Rentengutachten zur Nachprüfung der MdE auf unfallchirurgischem/orthopädischem Fachgebiet von Dr. F. vom 6. Juli 2016 wurde eine Verminderung der gesamten Bewegungsfähigkeit durch eine Einsteifung des unteren Sprunggelenkes festgestellt, so dass sich in der Gesamtschau mit der Bewegungseinschränkung des oberen Sprunggelenkes eine unfallabhängige Veränderung mit einer MdE von 30 v. H. ergebe.
Im Rahmen der Anhörung der Klägerin vom 26. Oktober 2016 führte diese im Schreiben vom 18. November 2016 aus, dass sie gehalten gewesen sei, auf die Polizei zu warten. Schon aufgrund eines schweren Unfallschocks sei sie nicht in der Lage gewesen, den Unfallort zu verlassen. Die Klägerin habe mit keinem der Unfallgegner ein Gespräch geführt und auch keine Daten ausgetauscht bzw. dies beabsichtigt. Von den eingetroffenen Polizeibeamten sei sie zum Unfallhergang und nach ihren Personalien gefragt worden. Sie sei aufgefordert worden, auf weitere Angaben seitens der Polizei zu warten. Das Warten sei aber nicht ihrer Privatsphäre zuzuordnen gewesen und es habe kein Handeln im Eigeninteresse vorgelegen. Das Erla...